MEINUNGSMACHER I Edgar Snow, Chinas Lieblingsjournalist

Ausländische, vor allem westliche Journalisten gehören nicht gerade zu den Freunden der politischen Führung des Landes. Es gibt eine große Ausnahme: Edgar Snow. Der Amerikaner ist so etwas wie der Lieblingsjournalist der Kommunistischen Partei Chinas. Anlässlich des 100. Geburtstags der Partei erlebte Snow eine Renaissance und wurde zum großen Vorbild an journalistischer Ausgewogenheit chinesischer Definition stilisiert. Ihm und seiner (ersten) Frau Helen Foster Snow zu Ehren wurde gar im Juni in Yan´an ein „International Forum on the Legacy of the Snows in the New Era“ veranstaltet.  Wang Xiangwei, Kolumnist der South China Morning Post, war mit einer Entourage ausländischer Korrespondenten dabei und nahm folgende Erkenntnis mit: „China wants to encourage more foreign journalists to be like Edgar Snow.“ Wer war dieser – aus chinesischer Sicht – vorbildliche Edgar Snow? Ein gutaussehender journalistischer Weltenbummler, der Ende der 20er Jahre in Shanghai strandete und von dort für diverse amerikanische Blätter in den USA schrieb. Dort lernte er auch Madame Song Qingling kennen, die Witwe des Republikgründers Sun Yat-sen. Sie stellte den Kontakt zu der kommunistischen Führung her, die in Yan´an am Ende des langen Marsches hauste. Snow machte sich auf den Weg dorthin, erreichte am 13. Juli 1936 Bao´an, und redete noch in der ersten Nach ausführlich mit Mao Zedong. Weitere Nachtsitzungen, die meist um 21 Uhr begannen und bis in die Morgenstunden dauerten, schlossen sich an. Neben Mao interviewte Snow viele weitere Genossen. Zhou Enlai sagte ihm zu, er könne über alles schreiben, was er sah. Fast vier Monate hielt sich Snow in Yan´an auf. Danach schrieb er das Buch „Red Star Over China“. Es wurde weltweit ein großer Erfolg. Zum ersten Mal gab es Insides über die kommunistischen Revolutionsführer Chinas. Das Buch war auch ein PR-Erfolg für Mao. Die Historikerin Julia Lovell urteilt: „He introduced Mao as a personality on an international stage creating a global image for Mao before he was even top of the tree in the CCP.”  Snow kam noch dreimal – 1960, 1965 und 1970 – zurück nach China. Bei seiner letzten Reise durfte er sogar mit Mao zusammen vor dem Tor zum Tiananmen posieren. Seinen amerikanischen Landsleuten war Snow wegen dieser Kontakte verdächtig. Seit 1959 lebte er deshalb in der Schweiz. Hoch über dem Genfer See wohnten er und seine zweite Frau Lois Wheeler in einem umgebauten Bauernhaus. Doch früh ereilte ihn dort ein Krebskrankheit. Zhou Enlai schickte noch drei chinesische Spezialisten. Zu spät. Eine Woche später starb Snow am 15. Februar 1972 im Alter von 68 Jahren. Aber sein Geist lebt heute noch – in den Köpfen der chinesischen Führung. Außenminister Wang Yi sagte kürzlich: „China hopes to see and welcomes more Edgar Snows of this new era among foreign journalists.” Wenn die ausländischen Journalisten sich ein Beispiel an Snow nehmen sollten, könnte sich Chinas Führung ein solches an Maos Offenheit nehmen. Er gewährte Snow Interviews und Einblicke. Wann lädt Xi Jinping nach Zhongnanhai, dem Regierungsviertel in Beijing?  

 

Info:

Das große Werk „Red Star Over China“ gibt es sowohl in Englisch als auch in Deutsch noch antiquarisch bei den einschlägigen Online-Versendern für gebrauchte Bücher.

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