POLITIK I Chinas langsamer Rückzug aus den US-Anliehen – oder wie gefährlich ist die Finanz-Atombombe

Man nennt sie die Atombombe der Finanzwelt und meint damit die US-Staatsanleihen, die im Besitz Chinas sind. Die Bombe könnte hochgehen, wenn China massiv aus den US Treasury Bonds aussteigt. Aber haben die Chinesen das vor? Derzeit sollen die Chinesen amerikanische Staatsanleihen von rund 760 Milliarden Dollar halten. Es waren schon mal mehr, viel mehr.  2011 waren es 1,3 Billionen Dollar. Mit den aktuell gehaltenen 760 Milliarden Dollar rutschte China erstmals auf den dritten Platz der amerikanischen Gläubigerländer, hinter den führenden Japanern (1,06 Billionen) und den Briten (779 Milliarden). Die Chinesen haben also in den vergangenen 15 Jahren ihre Investments in US Treasury Bonds deutlich reduziert. Alicia García-Herrero (China-Expertin der Investmentbank Natixis) erklärt gegenüber der Financial Times: “China verkauft langsam, aber stetig – das ist ein Warnzeichen an die USA.“

Oder doch nicht? Was etwas stutzig macht, ist die Zunahme der US-Bonds, die von Großbritannien, Belgien und Luxemburg gehalten werden. Dahinter könnte – so vermuten einige Anleihen-Experten – China stecken, das seine Anleihen umschichtet. „Das Motiv für eine solche Verschiebung der Bestände könnten die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China sein, wegen denen Peking ein Interesse daran haben könnte, den tatsächlichen Umfang seiner US-Anleihebestände zu verschleiern,“ heißt es in dem aktuellen Commerzbank-Report „US-Staatsanleihen als Waffe Chinas?“. China hat also möglicherweise nur einen Teil zumindest umgeschichtet. Auf jeden Fall hat China – und das weiß man – innerhalb seiner US-Anleihen-Portfolios den Anteil der Papiere mit kurzfristiger Laufzeit systematisch erhöht. Statt Anleihen mit 30 oder 20 Jahren Laufzeit halten die Chinesen nun vermehrt Anteile mit zehn Jahren Laufzeit, um etwas kurzfristiger reagieren zu können.

Den großen Ausverkauf durch die Chinesen gibt es also nicht – und wird es auch nicht geben. Davon sind Bernd Weidensteiner und Tommy Wu, die Autoren des Commerzbank-Reports, überzeugt: „Ein Ausverkauf der US-Anleihen könnte China selbst schaden. Damit dürfte diese Waffe wohl kaum zur Anwendung kommen.“ Sie nennen einige Gründe für ihre These. So würde der Verkauf von Bonds, „eine starke Reaktion des Wechselkurses“ zur Folge haben: Der RMB würde aufgewertet und damit chinesische Exporte verteuern. Außerdem hätte ein abruptes Aussteigen Chinas aus den US-Anleihen eine Krise des globalen Finanzsystems zur Folge, was wiederum eine Rezession in vielen Ländern auslöste. Das träfe auch die chinesische Wirtschaft hart treffen. Chinas Image als verantwortungsbewusster internationaler Akteur, das Chinas Führung gerade mühsam aufzubauen versucht, erlitte einen massiven Rückschlag.

Zudem rechnen die Commerzbank-Autoren mit einer Reaktion der USA. Die Fed, die amerikanische Notenbank, könnte „in großem Stil“ US-Staatsanleihen zur Stützung kaufen. Es würde also auch für die USA teuer. Deshalb glaubt auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), nicht an ein Zünden der finanziellen Atombombe durch China. In einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) sagte Fratzscher: „Beide (China und die USA) würden einen hohen Preis zahlen.“

Info:
Hier der Commerzbank-Report: https://www.commerzbank.de/konzern/research/woche-im-fokus/wif2006d.pdf

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