Anfang vergangenen Jahres kündigte der Mathematik-Professor Song Sun seine Stelle an der University of California Berkeley. Die 37jährige Koryphäe im Bereich der Geometrie (er gewann in diesem Bereich den renommierten Oswald Veblen Prize) wechselte an das Institute for Advanced Study in Mathematics an der Zhejiang University.
Im September wechselten zwei weitere Mathematiker zurück in ihr Heimatland: Wang Xujia, der 29 Jahre lang an der Australian National University lehrte und forschte, sowie Chen Huayi (Université Paris Cité) werden künftig an der Westlake University in Hangzhou arbeiten.
Im Oktober folgte schließlich der Mathematiker Ma Xiaonan dem Ruf der Nankai Universität und verließ dafür ebenfalls die Université Paris Cité) .
Das waren drei Beispiele von Mathematikern, die nach Aufenthalten an westlichen Universitäten nach China zurückkehrten. Diese Liste könnte man noch um einige weitere Wissenschaftler aus anderen Bereichen ergänzen: Gao Huajian (Mechanik), Wang Zhonglin („father of nanogenerators“), Chen Deliang (Klimatologe), Dai Hongjie (Physiker), Wang Cunyu (Biologe) und Sun Shaolong (Tumorimmunologe).
Kann man angesichts dieser gewichtigen Anzahl von Rückkehrern von einem neuen Trend sprechen, gar von einer vierten Welle der Heimkehrer, wie in chinesischen Medien schon diskutiert wird? Mit dieser Frage befasste sich ein Artikel von Su Weichu in der chinesischen Zeitschrift The Intellectual, der von Jeffrey Ding ins Englische übersetzt wurde. Darin wird häufig Sun Yutao zitiert, der an der Dalian University of Technology zu diesem Thema forscht. Er spricht nicht von einer vierten Welle, denn er sagt: „We are currently in the continuation of the third wave of returnees.”
Die erste Welle fand zu Beginn der 1950er Jahre statt, als nach Gründung der Volksrepublik viele während des Krieges geflohene Wissenschaftler nach China zurückkamen. Die zweite Welle begann dann in den 90er Jahren, als die Reform- und Öffnungspolitik zunehmend vertieft wurde. Die dritte setzte nach der Zeitrechnung von Sun Yutao nach der globalen Finanzkrise 2008 ein. Die Arbeitsbedingungen in den westlichen. Ländern verschlechterten sich. Gleichzeitig forcierte China durch diverse Programme seine Abwerbungsversuche. Außerdem war plötzlich Entrepreneurship en vogue. So nahm die Zahl der chinesisch-stämmigen Wissenschaftler, die zwischen 2010 und 2021 die USA verließen, von 900 auf 2621 zu. Gingen davon 2010 nur 48 Prozent zurück nach China und Hongkong, so waren es 2021 bereits 67 Prozent. Das ergab eine Studie von Xu Yie, Direktor des Princeton Center on Contemporary China. Vor allem nach 2018 beschleunigte sich nochmals die Abwanderung. Der Grund war die von der Trump-Regierung eingeführte „China Initiative“, wonach chinesisch-stämmige Wissenschaftler in den USA besonders kritisch von den Behörden beäugt werden. Die China Initiative ist zwar wieder eingestellt, aber das Klima ist vergiftet. Viele der betroffenen Wissenschaftler fühlen sich nicht mehr wohl und willkommen in den USA. Deshalb hält der Exodus an.
Info:
Hier ein Artikel im ChinAI Newsletter: https://chinai.substack.com/p/chinai-294-a-fourth-wave-of-chinese
Und hier die Übersetzung des Artikels von Sun Yutao in The Intellectual Times: https://docs.google.com/document/d/1LT9hpyeYJQKLVes9V0NWOisFln8KqgM3F1gsQcZ9p3g/edit?usp=sharing&utm_source=substack&utm_medium=email