Fast gleichzeitig tourten Ende März/Anfang April zwei südostasiatische Premierminister durch China: Singapurs Lee Hsien Loong und Malaysias Anwar Ibrahim. Lee war fünf Tage dort, Anwar drei Tage. Singapur und Malaysia gehören zu den zehn Asean-Staaten (Asean = Association of Southeast Asian Nations). Dieser Staatenbund in unmittelbarer Nachbarschaft Chinas pflegt traditionell gute (wirtschaftliche) Beziehungen zu China. Für alle zehn Staaten ist China der größte Handelspartner. Politisch haben sie aber unterschiedliche Positionen China gegenüber – vom Vasallen-artigen Laos bis zum eher distanzierten Vietnam reicht das Spektrum. Malaysia und Singapur gehören zu den Ausgewogenen der Mitte. So wurden ihre beiden Premierminister auch in Beijing empfangen, und dementsprechend wurden sie auch mit zahlreichen Abkommen und Investitionsversprechen verabschiedet. Insbesondere Singapur, der Stadtstaat mit einer mehrheitlich chinesisch-stämmigen Bevölkerung, versucht eine vermittelnde und mäßigende Rolle einzunehmen. Das wurde bei Lees Rede auf dem Boao-Forum deutlich. Dort äußerte er die Hoffnung, dass die beiden Großmächte China und USA „succeed in stabilising their relationship and establishing mutual trust and respect.” Denn – so Lee weiter: „Any clash between them will have grievous consequences for themselves and the world.” In Beijing traf Lee sowohl Xi Jinping als auch den neuen Premier Li Qiang. Mit ihnen besiegelte Singapur eine „all-around, high-quality and future-oriented partnership“ – was immer auch darunter zu verstehen ist. Malaysias Premier Anwar Ibrahim reiste noch reichhaltiger beschenkt zurück nach Kuala Lumpur. Im Gepäck hatte er Investitionszusagen chinesischer Firmen über knapp 40 Milliarden Dollar. Malaysia ist das Asean-Land, das wirtschaftlich geschickt zwischen beiden Großmächten laviert. So steigt dort auch das Investment amerikanischer Firmen: „US companies are gradually shifting their supply chains out of China, and Malaysia is one of their options”, schreibt Shahriman Lockman von ISIS Malaysia. Politisch verhält sich Malaysia eher neutral. Anwar sagte in einem CCTV-Interview: „We do not want the region to be the base for military competition.” So kritisiert Kuala Lumpur zum Bespiel die Aktivitäten des Sicherheitspaktes Aukus (bestehend aus Australien, UK und USA). Doch nicht alle Asean-Staaten sehen das so neutral wie Malaysia und Singapur. Vor allem nicht die Philippinen und Vietnam. Die Philippinen rücken unter ihrem neuen Präsidenten Ferdinand Marcos jr. wieder näher an die USA heran. Soeben fanden in Washington seit langer Zeit wieder die sogenannten 2+2-Gespräche statt, bei denen sich die Außen- und Verteidigungsminister beider Länder gegenübersaßen. Und am 11. April startete auf den Philippinen das Balikatan-Manöver mit 12 000 US-Soldaten, 5400 Filipinos und 111 Australiern. Es ist in diesem Raum das größte Manöver seit über 30 Jahren. Adressat des Aufmarsches ist China. Auch Vietnam rückt näher an die USA heran. In den vergangenen Tagen war Außenminister Antony Blinken in Hanoi. Unter anderem bereitete er einen Vietnam-Besuch von Joe Biden im Mai vor. Es wird gemunkelt, dass dann auch die Beziehungen zwischen Vietnam und den USA auf ein neues Niveau gehoben werden sollcn – von der der 2013 beschlossenen umfassenden Partnerschaft zu einer strategischen Partnerschaft.
Es ist also viel Bewegung in Südostasien, aber nicht alle bewegen sich in dieselbe Richtung. Insofern unterschiedet sich Asean nicht von der EU.
Info:
Lee-Rede auf dem Boao Forum: https://www.pmo.gov.sg/Newsroom/PM-Lee-Hsien-Loong-at-the-Boao-Forum-for-Asia-Annual-Conference-2023
Joint Statement China-Singapur: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202304/t20230401_11053007.html?utm_source=substack&utm_medium=email
Kommuniqué nach den 2+2-Gesprächen zwischen den USA und den Philippinen: https://www.state.gov/joint-statement-of-the-u-s-philippines-22-ministerial-dialogue/?utm_source=substack&utm_medium=email