POLITIK I China als Vermitter – erst im Nahen Osten, bald auch in der Ukraine?

Es war eine perfekte Überraschung. Nach vier Tagen geheimer intensiver Verhandlungen traten am 10. März die Unterhändler des Iran und Saudi-Arabiens vor die Kamera in Beijing, schüttelten die Hände und präsentierten ein soeben unterzeichnetes Dokument, in dem sie unter anderem die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen besiegelt hatten. In der Mitte der beiden (ehemaligen) nahöstlichen Streithähne ein zufriedener Wang Yi, oberster Außenpolitiker der KP Chinas. Er sprach anschließend von einem „Sieg des Dialogs und des Friedens“.

Fast wortgleich schrieb die „Financial Times“ von einem „Sieg der chinesischen Diplomatie“. The New York Times sprach von einem Coup, der Beijing gelungen sei.

Es war in der Tat eine „echte Sensation“ (Süddeutsche Zeitung), dass China die beiden verfeindeten Nationen an den Verhandlungstisch gebracht hatte. Seit dem Demonstranten-Sturm auf die saudische Botschaft in Teheran Anfang 2016 herrschte Eiszeit zwischen den beiden nahöstlichen Mittelmächten. Im Jemen leisten sich die beiden Nationen schon seit Jahren einen brutalen Stellvertreterkrieg. Saudi-Arabien unterstützt die jemenitische Regierung, der Iran hingegen die aufständischen Huti-Rebellen. Zudem gehören die Iraner und Saudis unterschiedlichen islamischen Glaubensrichtungen an: Schiiten die einen, Sunniten die anderen.

Warum ist China dieser Coup gelungen? China entwickelte schon seit Jahren eine diskrete, aber rege Nahost-Diplomatie, die in den vergangenen Monaten stetig zunahm. Hinter den Kulissen pendelte Zhai Jun, der Nahost-Sonderbeauftragte Chinas, im vergangenen Jahr häufig zwischen Riad und Teheran. Vor den Kulissen erfolgte dann im Dezember 2022 mit viel Pomp der fünftägige Staatsbesuch von Xi Jinping in Saudi-Arabien. Im Februar empfing Xi dann in Beijing Irans Präsidenten Ebrahim Raisi. Aber bei all der Ehre, die nun China zuteil wird, sollte nicht vergessen werden, dass auch der Irak und traditionell der Oman eine wichtige vermittelnde Rolle spielten.  

Aber warum letztlich China die Lorbeeren kassierte, erklärt Tuvia Gering (Israel-China Policy Centre, Tel Aviv) so: „One reason China may have succeeded where Russia and others, namely Iraq and Oman had failed, is that China has more leverage.” China ist der größte Handelspartner sowohl von Iran als auch von Saudi-Arabien. Von beiden bezieht China viel Öl. Umgekehrt liefert China viel High-Tech in die beiden Länder. Gehrig: „China has plenty carrots to offer or withdraw.“ Außerdem gibt sich China politisch neutral und mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten der beiden Länder ein. Anders als die USA. Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater der USA, sagt denn auch: “We were not in a position to be a mediator between Saudi Arabia and Iran given our relationship with those two countries. We never have been, and we aren’t in such a position today.” Aber Sullivan findet sogar lobende Worte für den Deal: “We think this is something positive in so far that it promotes a goal the US has been promoting in the region, which is de-escalation and reduction in tensions. That is a good thing.”

Soweit die offizielle US-Version. „The New York Times” berichtet noch von einer anderen Version: “Privately, Mr. Biden´s aides suggested too much was being made of the breakthrough.”

Es kann den USA nicht gefallen, dass mit China ein neuer Akteur in der Nahost-Region auftritt. „The Wall Street Journal” stellt fest: “The deal signals a sharp increase in Beijing´s influence in a region where the US has long been the dominant power broker.” Und Jonathan Panikoff (Scowcroft Middle East Security Initiative) sagt: “It should be a warning to US policymakers leave the Middle East…and you´ll simply be leaving for a vacuum for China to fill.”

Egal, wie man das Abkommen wertet, es wird wohl der geschundenen Bevölkerung in einem Land helfen: dem Jemen. Dort tobt seit 2015 ein brutaler Krieg, tatkräftig unterstützt vom Iran und Saudi-Arabien. Mit dem Abkommen von Beijing steigen die Chancen, dass dieser Krieg zu einem Ende kommen könnte. Zufall oder nicht: In Genf begannen soeben Gespräche zwischen den verfeindeten Parteien, zwar „nur“ über einen Gefangenenaustausch, aber immerhin.

Nach diesem Überraschungscoup in Beijing darf spekuliert werden: Wird sich China – „der neue Streitschlichter“ (Süddeutsche Zeitung) – weiter als globaler Friedensstifter profilieren? Unruheherde auf dieser Welt gibt es ja genug. Wang Yi sagte etwas kryptisch und sehr allgemein: “There are many issues related to peace and people’s livelihood that require the attention of the international community and timely and proper handling by the parties concerned.” Er verweist auf die soeben vorgestellte „Global Security Initiative“ (GSI), in der sich China als zunehmend aktiver globaler Akteur präsentiert.

Naheliegend wäre: Kann und will China auch in einem anderen Nahost-Brandherd, dem Palästina-Konflikt, löschend eingreifen? Sun Degang vom Center for Middle East Studies an der Fudan Universität in Shanghai vermutet: „China may now support diplomatic efforts to mediate between Israel and Palestine.”

Noch viel dringlicher wäre freilich ein Frieden in der Ukraine. Einen „Friedensplan“, der allerdings nur eine Beschreibung von Positionen ist, hat Chinas Regierung ja bereits vor vier Wochen vorgelegt. Nächste Woche wird Xi Jinping nach Russland reisen, um Wladimir Putin zu treffen. Anschließend will er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi per Video reden. Bahnt sich da was an?

Man sollte nicht allzu viele Hoffnungen auf diese Treffen setzen, aber Überraschungen gibt es immer wieder. Siehe den Iran-Saudi-Deal.

Info:

Hier das „Joint Trilateral Statement“: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202303/t20230311_11039241.html?utm_source=substack&utm_medium=email

Tuvia Gering gibt in seinem Newsletter „Discourse Power“ einen exzellenten Überblick über Reaktionen auf den Deal, vor allem von chinesischer Seite: https://discoursepower.substack.com/p/discourse-power-march-11-2023?utm_source=substack&utm_medium=email

Der Newsletter “Ginger River Review” gibt ebenfalls Stimmen zum Deal wieder, dazu einen interessanten Blick hinter die Kulissen der diplomatischen Aktivitäten der vergangenen Wochen: https://www.gingerriver.com/p/timeline-views-on-saudi-iran-decision?utm_source=The+China+Project&utm_campaign=63c56b3c8d-EMAIL_CAMPAIGN_2023_03_13_11_25&utm_medium=email&utm_term=0_03c0779d50-63c56b3c8d-%5BLIST_EMAIL_ID%5D

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