China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Young China Hand vorgestellt: Neal Dietrich (26).
Neal Dietrich ist zwar erst 26 Jahre alt, aber international bereits sehr erfahren. In Irland geboren, in Spanien aufgewachsen, dann mit 13 Jahren nach China gezogen hat er schließlich in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota Abitur gemacht. Er folgte seinem Vater, der bei Bayer arbeitete. Jetzt sitzt der junge Kosmopolit allerdings ganz heimatverbunden im Düsseldorfer Medienhafen. Dort leitet er ein Startup namens Unibridge. Es hilft chinesischen Studenten, nach dem Studium in Deutschland einen Job zu finden.
Warum hat er sich für ein chinesisches Projekt als Berufseinstieg entschieden? Er hätte sich ja auch Richtung Spanien und Lateinamerika orientieren können, zumal er perfekt Spanisch spricht. Die Antwort ist schlicht menschlich. Er habe halt viele positive Erfahrungen während seiner diversen Aufenthalte in China gemacht. Als Schüler in Beijing, später als Sprachschüler wiederum in Beijing und als Austauschstudent in Taipeh. „Die Leute sind so nett in China“, sagt er und erzählt dann von seinem besten chinesischen Freund und dessen Oma, mit denen er viel Zeit verbracht hat: „Ich wurde da so liebevoll aufgenommen.“ Andererseits ist Dietrich auch ein sehr kommunikativer und offener Typ, der aufgrund seiner Vergangenheit („Ich war immer Ausländer“) vorurteilsfrei auf Leute zugeht.
Diese Attribute helfen ihm natürlich auch in seinem Startup UNIBRIDGE. In dieses Projekt ist er etwas rein geschliddert. Einer guten Freundin aus Taiwan, die nach dem Studium in Deutschland einen Job suchte, verhalf er zu einer Anstellung bei Accenture. Ähnlich erfolgreich war er bei der Job-Vermittlung für eine russische Freundin. „Plötzlich sah ich: Hey, wie cool ist das denn!“ Und Dietrich gründete nach seinem Studium an der FH Pforzheim das Startup-Unternehmen Unibridge, in dem auch Fördergelder des Landes Nordrhein-Westfalen stecken.
Das Potential ist groß: Rund 40 000 Chinesen studieren an deutschen Hochschulen, allein rund 3000 an der RWTH Aachen. Und es werden in den nächsten Jahren eher mehr. Nach Dietrichs Erfahrungen wollen rund 70 Prozent der Studenten nach ihrem Abschluss erstmal hier in Deutschland bleiben und einen Job finden. Doch viele schaffen es nicht. Sie wissen nicht, wie und wo man sich bewerben kann. Dietrich sagt: „Sie kennen vielleicht ein paar Dax-Unternehmen, aber keine so erfolgreichen Unternehmen wir Trumpf oder Würth.“ Unibridge gibt Nachhilfe – zunächst auf der informativen Homepage, aber auch in vielen Gesprächen. Wichtigste Kontaktstellen sind für Dietrich und sein Team – von denen alle einen China-Background haben – die chinesischen Studentenvereinigungen, die es an fast jeder Hochschule gibt. „Vergangenes Jahr haben wir 30 Veranstaltungen mit 45 Unis gemacht“, sagt Dietrich. Inzwischen habe man Zugang zu 15 000 Chinesen. Fast die Hälfte ist aus dem Bereich IT und Ingenieurwesen, danach kommen die BWLer. Gleichzeitig baut Dietrich Kontakte zu den HR-Abteilungen deutscher Unternehmen auf: „Das war ein langer Prozess.“ Inzwischen klopfen immer mehr deutsche Unternehmen bei Unibridge an. Sie sind auch an chinesischen Mitarbeitern interessiert, weil sie in ihren chinesischen Filialen die teuren Expat-Stellen abbauen und diese mit Chinesen besetzen wollen. Und inzwischen hat Unibridge noch eine weitere Kundengruppe im Visier: Chinesische Unternehmen, die nach Deutschland kommen und hier deutsche wie chinesische Mitarbeiter suchen. Handyhersteller Xiaomi zum Beispiel baut in Düsseldorf sein europäisches Headquarter auf, ebenso die Konkurrenten Oppo und Vivo. „Düsseldorf ist ein spannender Standort“, sagt Neal Dietrich. Es sieht so aus, dass der vagabundierende Kosmopolit vorerst eine Bleibe gefunden hat.
Info:
Die Homepage von UNIBRIDGE (in Englisch und Chinesisch) gibt es hier: www.unibridge.ai