BILDUNG I Deutsch-chinesischer Schulaustausch in Gefahr

Es ist mittlerweile Allgemeingut und wird in allen Sonntagsreden gerne wiederholt: Wir müssen mehr über China wissen. In vielen Strategiepapieren wird folgerichtig mehr China-Kompetenz gefordert. Diese solle schon früh vermittelt werden, am

besten also schon an den Schulen. Doch spiegelt man diese frommen Wünsche mit der Wirklichkeit, kommt man zu einem eher deprimierenden Ergebnis: „Der Ausbau des schulischen Chinesischunterrichts stagniert auf niedrigstem Niveau und der deutsch- chinesische Schulaustausch ist durch stark gestiegene Kosten und den Wegfall von Förderungen existentiell bedroht.“ Dies schreibt Andrea Frenzel in der soeben veröffentlichten und von der Friedrich-Ebert-Stiftung finanzierten Studie „Deutsch-Chinesische Kooperation in Bildung und Kultur – Austausch und Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene“. Die Sinologin, die als freie Wissenschaftlerin insbesondere zur China-Kompetenz im Bildungsbereich forscht, untersuchte vor allem den Schulaustausch zwischen China und Deutschland. Den ersten derartigen Austausch gab es bereits 1987 im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai. Derzeit gibt es nach Frenzels Schätzung rund 260 deutsch-chinesische Schulaustausche – übrigens doppelt so viele wie deutsch-chinesische Kommunalbeziehungen. Die Austausche haben unter Corona stark gelitten. Sie kamen fast zum Erliegen und haben sich auch nach Corona nur sehr langsam erholt. „Die Jahre der erschwerten oder unterbrochenen Kommunikation haben Spuren hinterlassen, denn sie haben die ohnehin zunehmende Verunsicherung unter den Lehrkräften angesichts des veränderten deutsch-chinesischen Verhältnisses verstärkt“, schreibt Frenzel. Das Chinabild in Deutschland habe sich gerade durch die Pandemie erheblich zum Negativen entwickelt und veranlasse viele Schulen zum Nachdenken. Hinzu kommen Kürzungen staatlicher und privater Förderprogramme. So förderte zum Beispiel das vom Auswärtigen Amt 2008 gegründete PASCH-Programm („Schulen: Partner der Zukunft“) im vergangenen Jahr nur noch 19 Schulreisegruppen nach China. Vor der Pandemie waren es rund 100. Die Stiftung Mercator hat ihren „Schulpartnerschaftsfonds Deutschland-China“ bereits 2023 eingestellt. Frenzel fordert deshalb: „Die finanziellen Fördermöglichkeiten für den deutsch-chinesischen Schulaustausch müssen wieder verbessert werden.“

Ausführlich beschäftigt sich Frenzel in der Studie auch mit der Rolle der Konfuzius-Institute, die in Deutschland ja seit Jahren unter Beschuss sind. Frenzel: „Sie werden im öffentlichen Diskurs vorwiegend als Einflussinstrumente zur Durchsetzung strategischer Interessen Chinas gesehen.“ Sie sieht deren Arbeit differenzierter. Die Arbeitswirklichkeit der Institute sei bei genauerer Betrachtung durchaus komplexer. Bei genauerer Betrachtung kam sie zu dem Ergebnis, dass die Institute niederschwellig einen Bildungsauftrag erfüllten, der in Deutschland anderweitig kaum abgedeckt werde. Frenzel: „Als Anlaufstelle eines informierten, vorwiegend nicht-akademischen Publikums befriedigen die Konfuzius-Institute einen gesellschaftlichen Bedarf.“

Frenzels 48-Seiten-Arbeit ist in diesen polarisierenden Zeiten eine wohltuend differenzierte Studie, die ich nur empfehlen kann.

Info:

Hier kann die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung heruntergeladen werden: https://library.fes.de/pdf-files/international/22170.pdf

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