Kürzlich weilte Bernard Arnault, Chef des französischen Luxuskonglomerats LVMH, mal wieder in China. Wie immer nutzte er auch diesmal seinen Besuch, um die eigenen Shops, aber auch die der chinesischen Konkurrenz zu inspizieren. Zum einen schaute er sich in einem Geschäft der Juwelier-Kette Laopu Gold um, zum anderen besuchte er einen Laden von Songmont. Dieses 2013 gegründete Unternehmen stellt Taschen und Lederwaren her und „has emerged as a rising star“, schreibt Amber Zhang in ihrem Baiguan-Blog. Sie hat dies mit eigenen Augen beobachtet, als sie sich kürzlich abends um 21 Uhr ins Beijinger Ausgehviertel Sanlitun begab. Fast alle (ausländischen) Luxusläden seien leer gewesen, nur eben der von Songmont nicht. Viele Frauen Ende 20 und in den 30ern hätten sich dort umgeschaut und auch eingekauft. Ja, sogar ein paar Männer habe sie dort gesichtet.
Ist das nur ein neuer Hype um eine chinesische Marke? Nein, schreibt Amber Zhang: „This reflects more about the Chinese consumer market than just the rise of another designer brand.” Der Aufstieg von Songmont und anderen chinesischen Marken dokumentiert eine Veränderung im Konsumverhalten der chinesischen Mittelklasse – weg von teuren (manche sagen auch überteuerten) ausländischen Luxuswaren hin zu erschwinglichen chinesischen Marken. Diesen Trend bestätigt auch Sonia Li (Asia Programm des European Council on Foreign Relations, ECFR) in ihrem Artikel „Know the Field: China´s new consumerist ethos”. Sie schreibt: „The vast middle class enthusiastically chased the status symbols associated with foreign luxury goods.” Diese kaufkräftige Gruppe würde lieber zu Produkten greifen „that boast top performance at much lower prices“. Und das sei eben meist chinesische Produkte und Marken.
Dieses veränderte Kaufverhalten habe – so schreibt Sonia Li – auch bereits einen Namen: „ping ti culture“. Ping ti ist die Abkürzung von pingjia tidai, was man mit „affordable alternative“ übersetzen kann. Die Devise heisse value for money. Eine Umfrage im vergangenen Jahr in 15 Städten ergab, dass 57,2 Prozent der Befragten günstigere Produkte bevorzugen. Unter jüngeren Konsumenten ist diese Haltung noch viel stärker verbreitet. Bei den nach 1990 Geborenen betrug der Prozentsatz knapp 70 Prozent. Sonia Li: „Chinese milllenials and GenZ are the main drivers of pin ti culture.” Sie glauben, dass ausländische Marken durch teure Werbekampagnen ihre Waren künstlich verteuern. Hinzu kommt, dass chinesische Waren in den vergangenen Jahren gewaltig aufgeholt haben. Amber Zhang schreibt über Songmont: „The bags offer thoughtful design and solid quality.” Deren Preise liegen bei 1000 bis 3000 Yuan und damit deutlich unter denen von Louis Vuitton, Gucci oder Fendi. Hinzu kommt, dass unter jungen Chinesen sich auch ein gewisser Nationalstolz entwickelte. „China chic“ ist bei ihnen in.
Was das bedeutet nun diese veränderte Kaufverhalten? Nichts Gutes für die überwiegend französischen und italienischen Hersteller von Luxuswaren. Sonia Li: „European business will have to swallow the bitter pill of reality: China is no longer a land of endless opportunity, where ‘easy money’ awaits.” Auf der anderen, der chinesischen Seite hingegen gibt es Gewinner wie eben Songmont, aber auch Marken wie HECO oder Tangxindan. Sie bieten nicht nur konkurrenzfähige Produkte an, sondern verstehen auch das Marketinggeschäft. So hat Songmont die amerikanische Schauspielerin Kelly Rutherford („Gossip Girls“) als Werbeträgerin engagiert. Das lässt vermuten, dass Songmont nicht nur den ausländischen Marken in China Konkurrenz machen will, sondern auf deren heimischen Märken.
Info:
Hier der Artikel von Sonia Li: https://ecfr.eu/article/know-thy-field-chinas-new-consumerist-ethos/
Und hier der Artikel von Amber Zhang: https://www.baiguan.news/p/china-middle-aged-women-era-consumer-market-trends-songmont-laopu-gold-china-chic-domestic-designer-brands-urban-women-luxury-handbags-female-empowerment-fashion-lifestyle