WAN HUA ZHEN I Neue China-Politik: Bitte mehr Streit! / Von Liu Zhengrong*

„China – ein verlässlicher Partner?“ fragte Thorsten Benner, Mitbegründer des Global Public Policy Institute (GPPI), in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt vom 23. Mai. Die Antwort lieferte er gleich mit: Beim Repost des Artikels auf der Website seines Instituts änderte er die Überschrift kurzerhand in: „Es ist aberwitzig, in China einen verlässlichen Partner zu sehen.“ Offenbar war ihm die Originalzeile der Handelsblatt-Redaktion nicht scharf genug formuliert. Neue Fakten suchte man in seinem Beitrag indes vergeblich – weder zur angeblichen „Hochrisikofirma Huawei“ noch zur befürchteten „industriellen Entkernung Deutschlands (durch China)“.

Nur wenige Wochen zuvor hatte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in mehreren Medien – darunter auch Zeit Online – ein ganz anderes Signal gesetzt: „Europa und China müssen sich gegen Trumps Handelsangriff gemeinsam wehren“, forderte er. Fratzscher rief dabei keineswegs zu einer Hinwendung zu China auf. Vielmehr war es ein Plädoyer für den Erhalt der multilateralen Handelsordnung, bei der Europa und China durchaus gemeinsame Interessen vertreten. Trotzdem wurde er namentlich von Thorsten Benner attackiert. (Zeit Online übrigens änderte seine ursprüngliche Überschrift in die neutralere Formulierung: „Deutschland begeht einen Riesenfehler im Streit mit Trump.“)

So unterschiedlich die Positionen auch sein mögen – es ist gut, dass es endlich wieder kontrastreiche Debatten zum Umgang mit China gibt!

Die Dauerbeschallung durch monotones China-Bashing wird nicht nur ermüdend – sie wird gefährlich. Wenn man einen China-Artikel ohne Nennung des Mediums kaum noch zuordnen kann, ob er von der FAZ oder der taz stammt, läuft etwas schief. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges gab es politische Entwürfe und Gegenentwürfe zum Umgang mit der Sowjetunion. Es waren gerade jene scharfen öffentlichen Auseinandersetzungen, die damals zu einer ausgewogenen, pragmatischen und letztlich erfolgreichen Ostpolitik führten – durch die Kanzlerschaften Brandt, Schmidt und Kohl hindurch. Am Ende stand die Bundesrepublik als einer der großen Gewinner da.

Genau dorthin sollte auch die deutsche China-Politik der neuen Bundesregierung zurückfinden. Pragmatisch – mit kontinuierlicher Dialogbereitschaft auf Augenhöhe. Ausbalanciert zwischen vertrauensvoller Kooperation und knallhartem Wettbewerb.

Und was ist mit der viel beschworenen „Systemrivalität“? Nun, „Rivalität“ setzt ein vergleichbares Kräfteverhältnis voraus. Wenn Deutschland und Europa wieder mehr Wettbewerbe – bei Produktivität, Innovation, Wohlstand und Sozialstaatsreform – für sich entscheiden können, was sehr wünschenswert wäre, würde das Gerede von der Systemrivalität schnell verstummen. Aber nur dann.

Ein Hinweis an Herrn Benner: Kategorisches China-Bashing reduziert die Einflussmöglichkeiten auf China immer weiter. Die China-Politik der letzten Außenministerin hat dies – leider – eindrucksvoll belegt.

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Warum diese Kolumne Wan Hua Zhen heißt, und wer der Autor dieser Zeilen ist, erfahren Sie hier:

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