WIRTSCHAFT I Die Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos sind da- bleiben sie?

Die Verordnung hat – wie sich für EU-Papiere gehört – einen sperrigen Titel: „Durchführungsverordnung 2024/2754 vom 29. Oktober 2024 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichzolls auf die Einfuhren batteriebetriebener Elektrofahrzeuge für die Personenbeförderung mit Ursprung in der Volksrepublik China“.  Und sie ist sehr umfangreich, nämlich exakt 231 Seiten lang in der deutschen Fassung. Am Dienstag, den 29. Oktober, wurde die von Ursula von der Leyen unterschriebene Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Einen Tag später trat sie in Kraft.

Seit dem 30. Oktober werden also nun E-Autos aus chinesischer Produktion mit Ausgleichszöllen belastet. Anders als in den USA aber nicht mit einem pauschalen und prohibitiven Zollsatz (von 100 Prozent), sondern differenziert nach Hersteller. Am meisten muss das Staatsunternehmen SAIC zahlen (35,3 Prozent), am wenigstens Tesla (7,8). Die privaten Unternehmen Geely (18,8) und BYD (17) liegen dazwischen. In der Verordnung rechnet die Kommission akribisch vor, wie sie zu solch unterschiedlichen Zollsätzen gekommen ist. Eine Rolle hat auch die Bereitschaft zur Kooperation bei den Untersuchungen gespielt.

Bis zum letzten Tag wurde heftig gerungen. Acht Verhandlungsrunden drehten die beiden Chefemissäre EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und Chinas Handelsminister Wang Wentao. Seit September wurde vor allem über einen Mindestpreis für chinesische E-Autos diskutiert, um die Zölle doch noch zu vermeiden. Die chinesische Seite bot offenbar 30 000 Euro an, was die Kommission allerdings als zu gering abgelehnt hat. Missstimmung gab es zuletzt noch, als die EU-Kommission versuchte, einzeln mit den chinesischen Autokonzernen über solche Mindestpreise zu verhandeln.

Die spannenden Fragen sind nun, nachdem die Ausgleichszölle in Kraft getreten sind: Wie wird China reagieren? Was werden die Autohersteller machen, was die Regierung? Die chinesischen Autobauer könnten die Preise senken, damit ihre Autos für europäische Käufer attraktiv bleiben. Spielraum dazu hätten sie, denn viele verkaufen ihre Autos hierzulande deutlich teurer als in China. Zweitens werden einige von ihnen Produktionsstätten in der EU errichten oder eventuell Fabriken von europäischen Herstellern übernehmen, die diese dicht machen. Das Brüsseler Audi-Werk, das im Februar 2025 schließen wird, ist so ein Kandidat. Chinesische Autokonzerne wie BYD oder SAIC haben bereits angekündigt, dass sie Fabriken in der EU planen. Unklar ist noch, wie die chinesische Regierung reagieren wird. Dass sie reagieren wird und muss, ist klar. Sie fühlt sich ungerecht behandelt und muss deshalb aus ihrer Sicht Gegenmaßnahmen ergreifen. Nur welche? Zölle auf europäische (Verbrenner-) Autos? Das würde vor allem die deutschen Hersteller empfindlich treffen, die deshalb auch von Anfang an gegen die Entscheidung der EU-Kommission waren. Oder gehen die Chinesen selektiver vor? Sie wissen ja, welche Länder sich für die Ausgleichszölle stark gemacht haben. Frankreich, Italien und Polen zum Beispiel. China könnte sich also Produkte herauspicken, die vor allem aus diesen Ländern stammen, und dann mit Zöllen belegen oder sie in irgendeiner anderen Form behindern. Im Falle Frankreichs hat die chinesische Regierung das bereits getan, indem sie Anti-Dumping-Zölle auf Weinbrände eingeführt hat. Weitere solche Maßnahmen – vor allem im agrarischen Bereich – könnten nun folgen.

Dass China die selektive Vorgehensweise favorisiert, zeigt sich auch daran, dass die Regierung in Beijing Chinas Autokonzerne aufgefordert hat, nur in den EU-Ländern zu investieren, die gegen die Zölle gestimmt haben. Dazu seien die Firmen bei einem Treffen im chinesischen Handelsministerium am 10. Oktober aufgefordert worden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Trotz aller Differenzen und gegenseitiger Klagen vor der WTO: Es sind eher Handelsscharmützel zu erwarten, aber kein eskalierender Handelskrieg. Sollte Trump an die Macht kommen, haben sowohl die EU als auch China einen viel gefährlicheren Gegner. Beide können und wollen sich einen Zweifronten-Handelskrieg nicht leisten.

Und wer weiß: Vielleicht kommt es doch noch zu einer Lösung am Brüsseler Verhandlungstisch. Denn auch nach Inkrafttreten der Verordnung soll weiterverhandelt werden. Das Thema Mindestpreise ist nach wie vor nicht vom Tisch.

Die Verlierer stehen aber jetzt schon fest: Die europäischen Verbraucher, die gerne günstigere E-Autos kaufen wollen.

Info:

Hier die Verordnung in voller Länge:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202402754

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