TRINKEN I Der Weinkonsum steigt, die Preise fallen

Bislang stand die Zahlenreihe 996 für die unfreiwillige Arbeitswut vor allem in den Tech-Branchen: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends schuften – und das sechs Tage die Woche. Nun hat aber 996 noch eine weitere Bedeutung bekommen: Ein Sixpack Weinflaschen für 99 Yuan (rund 13,50 Euro). Das ist nur eine Anekdote, die beweist, wie sich der chinesische Weinmarkt in den vergangenen Jahren radikal verändert hat. Xiao Kunbing, Professor für Anthropologie an der Southwest Minzu University in Chengdu, analysiert gerade in einer Serie für „Sixth Tone“ diese Veränderungen. Anfangs dominierten – so schreibt er – teure französische Weine, vor allem aus der Bordeaux-Gegend: „Chinese consumers at that generation might not have been able to locate Bordeaux in a map, but they knew what it reperesented: money, status, and sophisticated taste.” Französische und auch andere europäische Weine beherrschten den chinesischen Markt für Jahrzehnte. Insbesondere nach dem chinesischen WTO-Beitritt 2001, der Zollsenkungen zur Folge hatte, boomte das Geschäft mit Weinen aus europäischen Reben. Doch spätestens mit der 2013 von Xi Jinping gestarteten Anti-Korruptions-Kampagne kam die Ernüchterung. Teure französische Weine waren nun verpönt. Gewinner waren Weine aus der sogenannten neuen Welt: Australien, Neuseeland, Südafrika, Argentinien und Chile. Sie treffen vor allem den Geschmack der aufstrebenden Mittelschicht. Zudem haben viele der Post-80-Generation in Australien, Neuseeland, aber auch in den USA studiert und kennen von daher diese Weine. Das Geschäft mit diesen Weinen boomt, zumal auch als Folge von Corona immer mehr zuhause getrunken wird. Bestellt werden die Weine übrigens immer öfter übers Internet, oft auch direkt bei den Herstellern. Dadurch fallen die kassierenden Zwischenhändler weg. Die Preise sind deshalb gefallen und ermöglichen ab und zu ein Schnäppchen á la 996. Das erinnert mich an meine Studentenzeiten, wo man die Flasche Lambrusco oder Amselfelder oder irgendeinen algerischen Fusel für eine Mark bekam.

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