WISSENSCHAFT I Die Erfindung der Taiwanologie / Von Imke Vidal

Unter dem Titel „What is your stand on Taiwan Studies vs. Taiwan Research in Sinology” diskutierten am 6. Oktober Professor Christopher Achen (Princeton University), Professor Christian Soffel (Universität Trier), Dr. Hung-Yi Chien (Wissenschaftlerin des gemeinsamen Forschungsprogramms „Taiwan als Pionier“ der Universitäten Trier, Tübingen und der Ruhr-Universität Bochum), Dr. Chun-Yi Lee (University of Nottingham) und Dr. Simona Grano (Universität Zürich) an der Universität Trier darüber, was für und gegen die Einrichtung eines Studiengangs der Taiwankunde spricht.

Deutsche, aber auch internationale Taiwanexperten sind heute in aller Regel studierte Sinologen, die sich innerhalb der China-Studien auf Taiwan spezialisiert haben. Immer häufiger aber kommt inzwischen die Frage auf, ob es nicht einen von der Sinologie unabhängigen Studiengang zu Taiwan braucht. Dies forderte in der Trierer Debatte u.a. der emeritierte Princeton-Professor Christian Achen. Der Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen argumentiert: “Taiwan ist nicht gleich China”, und er ist überzeugt, Taiwan brauche eine stärkere Stimme in der akademischen Welt. Die Stimme von Minderheiten, so fürchtet Achen, läuft grundsätzlich Gefahr unterdrückt zu werden, wenn große geographische Bereiche in Studiengängen zusammengefasst werden. So wie in der Sinologie, die als Teil der Regionalstudien bisher die VR China, Taiwan oder aber auch Hong Kong aufgrund sprachlicher und kultureller Nähe zusammenfasst. Dass dies problematisch ist, darin waren sich alle Experten in Trier mehr oder weniger einig. Man stelle sich vor, Kanada würde lediglich als Teil der “North American Studies” gehandelt, überspitzte es Achen.

Für einen eigenen Studiengang „Taiwan Studies“ fehlt es aber auch an Geld – zumindest in Deutschland. Das hörte man in der Debatte immer wieder heraus. Doch auch um die Zukunftsaussichten der Studierenden sorgte man sich dabei seitens der Universität Trier. Denn der Sinologie in Deutschland mangelt es an Nachwuchs. Und für einige Diskussionsteilnehmer ist nicht ausgeschlossen, dass Taiwan als Studiengebiet mehr Interesse wecken könnte als die so zwiespältig wahrgenommene Volksrepublik. Aber welche Berufschancen erwachsen den Absolventen dieser Studiengänge letztlich wirklich? Und wandern damit der Sinologie tatsächlich Studenten ab?

Auch Fragen von Krieg und Frieden, die unweigerlich zur chinesisch-taiwanesischen Realität gehören, wurden in der Debatte nicht ausgespart. Wer weiß schon, ob Taiwan in 25 Jahren Teil der Volksrepublik oder ein international anerkannter, unabhängiger Staat sein wird? Simona Grano erinnerte daran, wie erfahren Taiwan im Umgang mit dem schwierigen Nachbarn, der VR China, sei und plädierte dafür, von Taiwan zu lernen. Und niemand weiß heute mehr über China als Taiwan – was wiederum auf genau die umstrittene sprachliche und kulturelle Nähe zurückgeht, aber auch auf die politischen Spannungen zwischen den beiden Chinas.

Chun-Yi Lee bemängelte, wie wenig außerhalb von Fachkreisen überhaupt über Taiwan bekannt sei. Gerne werde Taiwan dann schon mal mit Thailand verwechselt oder einfach als das „andere China“ bezeichnet. Zwar zeichne sich Besserung ab, seit Taiwan auch in den Medien wieder häufiger Erwähnung findet, aber die Lücken seien weiterhin auffällig. Da stimmten der Professorin aus Nottingham auch die anderen Diskutanten zu. Wäre das nicht ein Argument für die „Taiwanologie“?

In Taiwan übrigens gibt es das Studienfach „Taiwan Studies“ bereits. Doch selbst dort läuft es scheinbar schleppend. So berichtete Hung-Yi Chien davon, wie schwer es in Taiwan ist, diese Studiengänge mit Leben zu füllen. Immer mehr taiwanesische Studierende sähen die „Sinologie“ als ihre Chance, ein breiteres Publikum zu erreichen. „They are embracing the Sino-affix!” hatte die taiwanesische Wissenschaftlerin es bereits in einem Artikel vom März des Jahres zusammengefasst.

Taiwan-Studien wären sicherlich eine sinnvolle Ergänzung zur Sinologie, aber in gewisser Weise auch Konkurrenz. Und auch über Fragen der Finanzierung lässt sich wohl trefflich streiten, wo es doch schon in der Sinologie an Geldern eher mangelt. Und Gelder aus China (sei’s nun aus der Republik oder Volksrepublik) schüren schnell Gerüchte über Abhängigkeiten. 

Christian Soffel von der Universität Trier plädierte darum mit beinah chinesischem Pragmatismus dafür, einfach zweigleisig zu fahren. Vielleicht insgeheim im Gedanken an die Amerikaner forderte er, „wer es sich leisten kann“, könne ja ein Studium der Taiwanistik etablieren. Nichts hindere aber anderenorts die Universitäten daran, auch innerhalb der China-Studien gute Taiwan-Experten auszubilden.   

Ob man also in Trier demnächst „Taiwanologie“ studieren kann? Wir dürfen weiter gespannt sein.

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