POLITIK I Wo kommen all die Spione her?

„Fast alle Staaten spionieren“. So lautet der erste knappe Satz in dem Beitrag „Xi files: how China spies“ , den Nigel Inkster soeben für das britische Blatt The Spectator schrieb. Inkster muss es wissen, denn er war Chef des britischen Geheimdienstes M16. Allerdings ist es auch kein großes Geheimnis, was er da verriet. Auch Deutschland spioniert, nicht nur China. Man muss nur in Berlin die Chausseestraße 96-99 entlang gehen. Dort stehen die mächtigen Gebäude des Bundesnachrichtendienstes (BND), in denen Tausende von Mitarbeitern sicher nicht nur Däumchen drehen. Aber Nigel Inkster wollte mit seinem Satz nicht alle Geheimdienste dieser Welt gleichsetzen, er wollte vielmehr einen als besonders gefährlich einstufen: nämlich den chinesischen. Inkster schreibt: „China’s demand for intelligence on the rest of the world goes far beyond anything western intelligence agencies would typically gather.“

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist die mächtige Institution. Anders als in Deutschland, wo das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) für das Inland und der Bundesnachrichtendienst (BND) für das Ausland zuständig ist, gibt es in China nur eine Behörde, eben das MSS. Es soll über 100 000 Mitarbeiter haben, darunter auch viele in den Botschaften dieser Welt. Wie viele chinesische Organisationen hat auch das MSS regionale und lokale Gliederungen. Einige regionale Büros haben Länderzuständigkeiten. So beobachtet nach Angaben von Inkster zum Beispiel das MSS-Büro Shanghai den amerikanischen Markt, das Büro in der Provinz Zhejiang ist für die Spionagetätigkeiten in Westeuropa zuständig. Dort scheint das MSS sehr aktiv zu sein, wenn man die jüngsten aufgeflogenen Spionagefälle in Deutschland neben den in Europa (Belgien und UK) als Maßstab nimmt:

  • In Dresden wurde der 43jährige Jian G. festgenommen. Er war seit 2019 Mitarbeiter im Team des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Jian G., inzwischen deutscher Staatsbürger, soll Informationen über Verhandlungen aus dem Europäischen Parlament nach China geliefert haben. Zudem soll er die Exilopposition in in Deutschland ausspioniert haben;
  • In Düsseldorf und Bad Homburg wurden die drei Manager des Unternehmens Innovative Dragon festgenommen. Sie sollen seit Juni 2022 für das MSS arbeiten und Informationen über Maschinenteile, die für den Bau von Schiffsmotoren wichtig sind, weitergegeben haben.

Die Politik gibt sich alarmiert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht „erhebliche Gefahr durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft.“ Waren früher im Rahmen der klassischen Industriespionage vor allem Unternehmen Ziel der Ausspähungen, so geraten nun auch immer mehr Politiker und Wissenschaftler in den Fokus. Dies war auch ein Ergebnis der 17. Sicherheitstagung, die das BfV und der Bundesverband ASW (Allianz für Sicherheit der deutschen Wirtschaft) am 24. April zum Thema „Chinas Streben in der Welt“ in Berlin abhielten. Vor allem Informationen über militärisch nutzbare Technologien (dual use) seien nach Angaben des BfV für chinesische Späher interessant, insbesondere die Bereiche Automatisierung, Robotik, Schiffbau und Meerestechnik sowie Luft- und Raumfahrt. Als potentielle Gefahr stufen die Verfassungsschützer chinesische Studenten an deutschen Universitäten ein. „Ein großer Teil“ der rund 40 000 Studenten habe eine enge Bindung an den chinesischen Staat. Diesen Generalverdacht hat auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger immer wieder geäußert. Das sind keine guten Zeiten für die deutsch-chinesische Wissenschaftskooperation.

Info:

Der Artikel von Nigel Inkster in The Spectator: https://www.spectator.co.uk/article/the-xi-files-how-china-spies/

Pressemitteilung der ASW zur 17. Sicherheitstagung: https://www.asw-bundesverband.de/wp-content/uploads/Pressemitteilung-BfV_ASW-2024.pdf

Auch der ARD-Presseclub beschäftigte sich am 4. Mai mit dem Thema: „Im Visier der Spione – Wie groß ist die Gefahr aus Russland und China?: https://www.youtube.com/watch?v=RlWEPnLdfQc

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