WIRTSCHAFT I Verduftet Chanel No. 5?

Lange Zeit war für viele Chinesinnen Chanel No. 5 der Duft der großen, weiten Welt. Mit schönen Werbefotos von schicken Französinnen im nächtlichen Paris oder am Strand des Mittelmeers versprühte Chanel gleichzeitig auch westliches Lebensgefühl. Doch so einfach ist es nicht mehr für die Parfumfirmen aus Frankeich, Italien oder den USA. Immer mehr chinesische Kosmetikfirmen setzen ihre eigenen Duftnoten.  Sie heißen Perfect Diary, Scentooze, Reclassified , Proya oder Florasis, der Newcomer aus Hangzhou.  Sie werben mit chinesischen Motiven, geben ihren Produkten chinesische Namen und füllen in ihre Flacons chinesische Ingredienzen. Die Kosmetikbranche folgt damit einem Trend, der auch andere Branchen erfasst hat und „Guochao“ – nationale Welle – bezeichnet wird. Bei immer mehr Produkten greifen die Chinesen zu Produkten nicht nur made in China, sondern auch created in China. Hier eine Übersicht über Branchen, in denen sich dieser Trend am deutlichsten zeigt:

  • Smartphones: Dominierten früher Apple und Samsung, so holten in den vergangenen Jahren Huawei und vor allem Xiaomi kräftig auf. Auch Oppo und Vivo sind begehrt.
  • Elektroautos: Tesla ist nach wie vor ein großer Renner, aber die chinesische Konkurrenz holt auf. Vor allem zwei Hersteller drängt es auf die Überholspur: NIO und Xpeng.
  • Lebensmittel: Im Snackbereich attackiert Three Squirrels die Produkte von Nestlé, die Eismarke Chicecream macht Unilever & Co. Konkurrenz. Die Getränke von Genki Forest wollen Coca-Cola das Wasser abgrabe. Und Heytea kreierte mit seinen Bubble-Teas ein ganz neues Marktsegment.
  • Bekleidung: Hier sind als Beispiele die Marken Bosideng und Ubras (Unterwäsche) zu nennen. Interessant in diesem Segment ist auch eine Renaissance traditioneller chinesischer Bekleidung wie der Hanfu.
  • Sportschuhe: In diesem Markt hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren besonders viel getan. Altmeister Li Ning, der sich von seinem Durchhänger wieder erholt hat, kreierte eine eigene China-Kollektion. Aber auch Anta und Erke greifen Adidas und Nike an.

Es ist vor allem die jüngere Generation, die mehr zu chinesischen Produkten greift. Die Generationen Y (zwischen 1980 und 1995 geboren) und Z (nach 1995 geboren). Sie sind auch die Trendsetter. Wie ist dieser Guoachao-Trend zu erklären? Die politische Großwetterlage hat sicher ihren Einfluss. Weil viele westliche Länder China zum Gegner/Wettbewerber/Feind erklären, fragen sich viele Chinesen und Chinesinnen, warum sie deren Produkte kaufen sollen. Zudem stört sie die Preispolitik der West-Firmen, die oft ziemlich teuer sind. Früher konnte man das noch mit besserer Qualität rechtfertigen. Aber inzwischen hat die Qualität der chinesischen Produkte deutlich zugenommen, so dass sie ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Manche ausländische Marken versuchen dem Guochao-Trend zu folgen, indem sie – wie zum Beispiel Dior eine chinesische inspirierte Männer-Kollektion anbietet – oder eine sogenannte brand collaboration – wie zum Beispiel Adidas mit Heytea – eingehen. Ob diese Versuche erfolgreich sein werden, muss sich aber erst noch zeigen.

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