PODCAST I Ein- und Aussichten von Norbert Riedel, deutscher Generalkonsul in Shanghai

Norbert Riedel (65) ist seit September 2024 deutscher Generalkonsul In Shanghai. Der Diplomat war schon einmal auf Station in China, zwischen 2010 und 2014, damals als Gesandter in der Botschaft in Beijing. Er kann also vergleichen und beschreiben, wie sich China verändert hat. Und das tut er in einer Folge des hörenswerten Podcasts „Made in China“, den die beiden in Shanghai lebenden Deutschen Thomas Derksen und Damian Maib produzieren. 

Die Jahre um und nach 2010 seien „eine der Hochzeiten des Austausches“ zwischen beiden Ländern gewesen. Die politischen Beziehungen seien glänzend gewesen. Im Spaß sagt Riedel: „Die Große Halle des Volkes war fast mein Wohnzimmer.“  Dagegen sei heute „die politische Stimmung – vorsichtig ausgedrückt – etwas komplizierter.“ Gerade andersherum habe sich die Stimmung in der Wirtschaft entwickelt. Hätten sich die deutschen Unternehmensvertreter vor 15 Jahren noch über die Schwierigkeiten im Umgang mit den Behörden beklagt, so sagen sie heute, sie hätten die volle Unterstützung der lokalen Regierungen.

Gewandelt habe sich aber auch das Wettbewerbsumfeld, sagt der wirtschaftsaffine Generalkonsul, der aus Stuttgart stammt, dort bei der Commerzbank eine Lehre als Bankkaufmann absolvierte, ehe er Jura studierte und in den diplomatischen Dienst eintrat. Er habe in den ersten Monaten sehr viele Gespräche geführt, eines mit dem chinesischen Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens. „Er sagte zu mir: Früher bedeutete Made in Germany höchste Qualität zu einem sehr hohen Preis. Inzwischen funktioniert das so nicht mehr. Auch chinesische Unternehmen liefern gute Qualität zu einem viel niedrigeren Preis.“ Auch werden die chinesischen Firmen immer innovativer. Riedel fragt rhetorisch: „Ist uns bewusst, was hier in China abgeht?“ Die Antwort gibt er wenig später selbst: „Wir haben immer noch nicht richtig verstanden, wie groß die Welle (aus China) ist, vor allem im Bereich von Künstlicher Intelligenz.“ Die meisten Unternehmen seien deshalb nicht nur wegen des Absatzmarktes hier, sondern um Entwicklungen mitzubekommen, um künftig auch auf Drittmärkten konkurrenzfähig zu sein. Um von Chinas Know-How zu profitieren, schlägt Riedel vor, mehr chinesische Unternehmen zu Investitionen in Deutschland zu bewegen. „Aber das sind“, schränkt der Diplomat gleich ein, „schwierige industriepolitische Fragen“. Ja, Deutschland könne von China lernen. Zum Beispiel auch in der Stadtplanung. Kürzlich sei er in der Sieben-Millionen-Stadt Wuxi gewesen und war offenbar beeindruckt. Zurück kam er mit der Frage: „Wie können wir es schaffen, dass (trotz unterschiedlicher politischer Systeme) unsere Städte genauso funktionieren?“

Um das gegenseitige Verstehen zu fördern, plädiert Riedel für mehr Austausch mit China: „Wir müssen verstehen, was hier passiert.“ Mit großer Sorge sieht er deshalb die sinkenden Studentenzahlen in der Sinologie und die abnehmende Bereitschaft von Studierenden zum Studium nach China zu kommen: „Wenn das so weitergeht, betrachten wir China in 10 bis 15 Jahren nur noch von außen.“

Aber auch in der Wirtschaft sieht er noch Informationsbedarf. Vor Kurzem hätte ihn der Vorstand einer deutschen Bank besucht. Dieser sei zum ersten Mal in China gewesen. Als er auf der 55. Etage in einem Hotel am Bund auf das boomende Shanghai schaute, war der Gast tief beeindruckt. Am Schluss habe er ihn gefragt: Wie kann ich das meinen Kollegen im Vorstand vermitteln? „Meine Antwort: Ganz einfach, schicken Sie sie hierher. Man muss es mit eigenen Augen sehen.“

Info:

Hier der Link zum Podcast „Made in China“ mit Norbert Riedel: https://madeinchinapodcast.de/

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