WAN HUA ZHEN I Neue Töne, neue Einsicht? / Von Liu Zhengrong

„China and the United States can together solve all the problems of the world,” kündigte Donald Trump am 17. Dezember auf einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago an. Eine Woche später, am Heiligabend und am anderen Ende des politischen Spektrums, schrieb Thomas L. Friedman in seiner publizistischen Heimat, der New York Times: „China und Amerika sind gezwungen, zusammenzuarbeiten, wenn es ein stabiles 21. Jahrhundert geben soll. Wenn Konkurrenz und Zusammenarbeit vollständig der Konfrontation weichen, erwartet uns beide ein ungeordnetes 21. Jahrhundert.“

Friedman lese ich seit mehr als 20 Jahren. Immer wieder bewies er journalistisches Gespür für langfristige politische Entwicklungen. Sein Meinungsartikel von 1998 zur NATO-Osterweiterung – „Foreign Affairs: Now a Word from X“ (Anmerkung von Wan Hua Zhen: X = George Kennan) – erlangte erst 2022 große Aufmerksamkeit und Anerkennung nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ebenso unvergessen bleiben seine Israel-Analysen lange vor dem 7. Oktober.

Dass der besagte Friedman nun scheinbar die Position von Donald Trump einnahm, könnte auf den Beginn eines subtilen Umdenkens unter den liberalen amerikanischen Eliten hindeuten. In demselben New-York-Times-Artikel mit der Überschrift  “What I Learned Most From My Trip to China” bezeichnete Friedman Trumps öffentlichen Vorschlag, Xi Jinping entgegen der bisherigen Konvention zu seiner Amtseinführung nach Washington einzuladen, als „eigentlich eine gute Idee“. Er plädierte zudem für ein neues „Shanghai Communiqué“ – in Anlehnung an das Original von 1972 zwischen Nixon und Mao bzw. Zhou Enlai –, um die Beziehungen der beiden Länder grundlegend neu zu ordnen. Dazu zählte auch die gegenseitige Achtung der roten Linien des jeweils anderen.

Von Trump und Musk auf der rechten Seite bis hin zu einflussreichen Denkern wie Friedman auf der liberalen linken Seite scheint man zunehmend zu erkennen: Ohne oder gegen China lässt sich kein globales Problem lösen. Das notwendige Vertrauen, um die Rivalität der beiden Länder zu managen, kann nur durch Zusammenarbeit entstehen. Dennoch sind die kompromisslosen China-Hardliner weiterhin in der Überzahl – nicht nur im US-Kongress, sondern auch im Trumps neuen Kabinett. Dort herrscht fast einhellig die Meinung, dass die während Bidens Amtszeit entstandene Annäherung zwischen Russland und China ein strategischer Fehler und Nachteil für die Vereinigten Staaten sei. Offen bleibt jedoch, ob man ab 2025 die Feindschaft und Konfrontation zu Russland oder zu China prioritär abbauen wird.

Wie so oft endet auch dieser Kommentar mit dem Satz und der Forderung: Europa braucht dringend eine aktive und eigenständige Position, um nicht noch stärker zum Spielball der wechselhaften Windrichtungen aus Peking und Washington zu werden.

Info:

Hier geht es zum Artikel von Thomas L. Friedman in der New York Times:

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