Der Newsletter China.Table verliert seine Kernmannschaft. Mit Teamchef Finn Mayer-Kuckuck, früher Korrespondent des Handelsblatt in Tokio und Beijing, verlässt ein Mann der ersten Stunde den Newsletter. Und mit Felix Lee, langjähriger China-Korrespondent der taz, geht ein weiterer wichtiger Schreiber. Doch damit nicht genug: Auch die Freelancer Christiane Kühl, die ebenfalls lange in China tätig war, und Michael Radunski gehen. Das Quartett hat ein gemeinsames Ziel: das SZ Dossier. Unter diesem Rubrum baut die Süddeutsche Zeitung in Berlin derzeit mehrere Newsletter auf. Drei gibt es bereits: Platz der Republik, Digitalwelt und Nachhaltigkeit. Die vier Ex-Table-Journalisten sollen ein Dossier aufbauen, „das wirtschaftliche Sicherheit und geopolitische Risikoanalysen für deutsche Unternehmen inhaltlich in den Mittelpunkt stellt“, heißt es in einer Mitteilung der SZ.
Die Nachfolge der Abgänger wird intern gelöst. So wird Amelie Richter, die seit 2021 bei China.Table ist, Nachfolgerin von Finn Mayer-Kuckuck. Marcel Grzanna steigt zum Textchef auf, Julia Fiedler wird Senior Editor. Doch es gibt auch zwei Neuzugänge: Ab Oktober stößt Angela Köckritz dazu, die früher mal China-Korrespondentin der Zeit war. Und Manuel Liu, der wirtschaftspolitische Themen bearbeiten soll, kommt frisch vom Volontariat beim Kölner Stadt-Anzeiger. Außerdem sollen ab Herbst Experten kommentieren – wie Xu Feiyu (Ex-SAP und KI-Expertin), Reinhard Bütikofer und Jörg Wuttke kommentieren. In einer Mitteilung der Muttergesellschaft Table.Media wird – wie es in der Wirtschaft üblich ist – so ein Wechsel ins Positive verkehrt: China.Table baue „seinen Vorsprung als führende Info-Quelle für China-Entscheider weiter aus.“
China.Table war der erste Newsletter in dem Table.Media-Konstrukt des Sebastian Turner. Er war einst Partner und auch phasenweise Chef der äußerst kreativen Werbeagentur Scholz & Friends. Sie erfand die Kampagnen und Slogans wie „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ (Land Baden-Württemberg) oder „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ (FAZ). 2008 verließ Turner die Agentur und wechselte als Teilhaber und Herausgeber zum Berliner Tagesspiegel, der unter seiner Regie einige erfolgreiche Newsletter startete (zum Beispiel Checkpoint). 2019 gründete Turner dann in Berlin sein eigenes Medienunternehmen: Table.Media. Dort bringt er hochwertige und hochpreisige Newsletter heraus. Er benutzt aber nicht den Begriff Newsletter, sondern „Professional Briefings“. Deren Zielgruppe sind die sogenannten Entscheider in Politik und Wirtschaft. Turner ist ein Anhänger des „Deep Journalism“. Was das ist? „Wir verbinden den Qualitätsanspruch von Leitmedien mit der Tiefenschärfe von Fachinformationen.“
Inzwischen erstellen über 70 Journalisten elf Tables – von Africa, Bildung, China, Europa bis Security. Im Team sind einige ehemalige Schreiber renommierter Blätter wie FAZ, Spiegel oder Süddeutsche Zeitung. Zuletzt warb Turner von Gabor Steingarts Pionieer Michael Bröcker und von der FAZ Helene Bubrowski ab, die beide als Chefredakteure der elf Tables fungieren. In der Wöhlertstraße in Berlins Mitte hat Turner ein Haus gekauft, in dem die Redaktionen untergebracht sind. Im Erdgeschoss wurde mit dem Mobiliar des in Konkurs gegangenen Café Einstein in der Kurfürstenstraße ein schmuckes Café eingerichtet. Diese Expansion in Köpfe und Steine kostet Geld, viel Geld. Deshalb seien die Fragen erlaubt: Wie tief sind Turners Taschen? Wie lange kann und will er das durchhalten? In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass Turner schon bei einigen großen Verlagen vorgesprochen hat, ob sie nicht mit ihm kooperieren wollen – oder gar mehr.