WIRTSCHAFT I Nach den E-Autos hat die EU nun die E-Commerce-Giganten im Visier

Wer in den vergangenen Tagen die Fußball-Europameisterschaft am Fernseher verfolgte, konnte diesem Werbespot vor und nach den Spielen nicht entkommen: Fröhliche junge Menschen tanzten und sangen in ständig wechselnden bunten Klamotten über den Bildschirm. Sie machten Werbung für Temu, den chinesischen Online-Händler, der vor allem Klamotten zu nahezu unschlagbaren Preisen ins Haus liefert.

Nach Fast Food nun also Ultra Fast Fashion – so heißt dieser neue Handelsbereich. Während Fast Food aus den USA kam, kommt Fast Fashion aus China. Zwei Giganten, die quasi aus dem Nichts entstanden, dominieren: Erst Shein, dann Temu. Sie machen inzwischen Milliarden-Umsätze, sie haben die traditionellen (europäischen) Modefilialisten wie H&M, Primark und Zara abgehängt, die noch in Shops ihre Waren anbieten, während Shein und Temu ihre in China produzierten Waren nur online verkaufen.

Aber nun knöpft sich die EU-Kommission die chinesischen Fast-Fashion-Händler vor. Am 28. Juni verschickte die Brüsseler Behörde ein formelles Auskunftsersuchen im Rahmen des Digital Services Act (DAS). Sie reagiert damit auch auf eine Beschwerde des europäischen Verbraucherbundes BEUC. Er veröffentlichte im Mai den Report „Taming Temu: Why the fast-growing online marketplace fails to comply with the EU Digital Services Act”. Der DAS ist seit dem 17. Februar 2024 in Kraft und fordert von sogenannten „Very Large Online Platforms“, zu denen die EU-Kommission Shein, Temu, aber auch AliExpress zählt, die Einhaltung gewisser Regeln. Sie müssen erklären, was sie zum Kinder- und Jugendschutz tun, wie sie die Notice-and-Action-Regeln anwenden, durch die die Nutzer illegale oder fehlerhafte Produkte melden können. Das klingt alles sehr kompliziert.

Einfacher zu verstehen ist eine andere Regel, der die EU-Kommission nun einen Riegel vorschieben will. Bislang dürfen Warenpakete, die den Wert von 150 Euro nicht überschreiten, zollfrei in die EU importiert werden. Von dieser „de minimis“-Regel machten Shein und Temu bislang reichlich Gebrauch. War eine Bestellung mal über diesen 150 Euro, stückelten sie den Auftrag in mehrere kleinere Pakete, mit denen sie jeweils unter den 150 Euro blieben. Sage und schreibe 2,3 Milliarden Pakete kamen so im vergangenen Jahr aus China in die EU. Übrigens meist per Luftfracht, was unter ökologischen Gesichtspunkten sehr fragwürdig ist. Nun will die EU-Kommission diese Regel abschaffen. Auch die Behörden der USA, wo die zollfreie Grenze allerdings bei 800 Dollar liegt, haben ähnliche Gedanken.

Ob allerdings dadurch die Flut von Billigklamotten aus China eingedämmt werden kann, ist zu bezweifeln. Aber immerhin: Shein, das bislang fast ausschließlich bei rund 5400 Zulieferern in der Provinz Guangzhou produzieren lässt, hat am 9. Juli angekündigt, künftig auch in der EU produzieren zu wollen. 250 Millionen Euro will der Konzern hierfür in den nächsten fünf Jahren investieren.

Info:

Die EU-Kommission über Shein: https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/news/commission-designates-shein-very-large-online-platform-under-digital-services-act

Der BEUC-Report über Temus Verstöße gegen den Digital Services Act: https://www.beuc.eu/reports/taming-temu-why-fast-growing-online-marketplace-fails-comply-eu-digital-services-act

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