Uwe Haizmann steht am Fenster eines geräumigen Konferenzraumes und sagt: „Da unten fließt die Isar“. Und dann geht er ein paar Schritte an die andere Fensterfront und zeigt: „Ein paar Meter weiter beginnt der Englische Garten.“ Schöne Gegend hier. Aber Haizmann ist nicht zum Vergnügen dort. Er arbeitet hier im deutschen Büro der EAC – Internbational Consulting, das Unternehmen bei ihrem Engagement im Ausland begleitet, vor allem in China und Asien. Haizmann ist einer der sechs Equity-Partner und kann eine 25jährige China-Expertise vorweisen.
Haizmann stammt aus Wittlensweiler, einem Dorf in der Nachbarschaft von Freudenstadt. Dort im nördlichen Schwarzwald ist man bodenständig. „Mach was Sicheres, geh zu einer Bank“, rieten ihm seine Eltern, nachdem er 1995 das Abi gemacht hatte. Also fing er eine Banklehre bei der Dresdner-Bank-Filiale in Freudenstadt an. Weil er einer der drei besten Azubis in Süddeutschland war, wurde er zum Festakt anlässlich der 125-Jahr-Feier der Dresdner Bank in die Alte Oper in Frankfurt eingeladen. Dort traf er am Rande auch eine Talentförderin der Bank. Ihr erzählte er, dass er ein Asien-Faible habe. Sie riet ihm, am Ostasien-Institut (OAI) in Ludwigshafen den Kombistudiengang Sprache/Wirtschaft zu wählen. Nur was? Japanisch oder Chinesisch? „Ich hatte einen Japan-Faible“, sagt Haizmann. Aber er entschied sich dann doch für Chinesisch. „China sah damals wirtschaftlich vielversprechender aus“. Zusammen mit 40 Studierenden fing Haizmann in Ludwigshafen an (das war damals am OAI für China-Studierende die Höchstzahl, heute verlieren sich gerade mal fünf Studienanfänger im Hörsaal). Haizmann, der bis dato nie in China war, wollte während des Studiums mindestens ein Jahr nach China. Er bewarb sich erfolgreich für ein Vollstipendium des DAAD. Eineinhalb Jahre verbrachte er in Shanghai, lernte an der Tongji Universität Chinesisch und machte Praktika bei der Dresdner Bank und bei EAC. Auch seine Diplomarbeit über einen möglichen Bankenkollaps führte ihn wieder nach China. 2003 war er fertig mit dem Studium. Sowohl die Dresdner Bank als auch EAC machten ihm ein Angebot. Doch er wollte weder in die Zentralen nach Frankfurt noch nach München. „Ich hatte keine Lust auf Deutschland. China war damals so dynamisch. Da wollte ich dabei sein.“ Über einen OAI-Alumni kam er zum bayerischen Unternehmen Einhell, das Elektrogeräte wie Bohrmaschinen in China bezog. Dort stieg er vom Assistenten des Geschäftsführers zum Leiter des Controllings auf. Diese Jahre waren nicht nur für ihn prägende Aufbruchsjahre: „Du hast täglich den Wandel in Shanghai gesehen. Die Stadt wurde immer mehr geöffnet, sie wurde immer internationaler.“
Nach vier Jahren Einhell sprach ihn 2007 EAC an, ob er nicht Lust hätte, als Berater zu EAC zu kommen. Er hatte Lust. 2008 wechselte er ins Shanghaier Büro von EAC. Sechs Jahre lang war er angestellt, seit 2014 ist er einer von sechs Partnern. Seine Spezialgebiete sind Supply Chain, Standortoptimierung sowie Effizienzsteigerungsprogramme. Da hat er derzeit viel zu tun. Im Zuge des politisch gewollten De-Risking stellen sich viele Unternehmen neu auf. Zum einen verfolgen sie eine „China für China-Strategie“, konzentrieren beispielsweise F+E und Engineering in China. Zum anderen versuchen sie sich zu diversifizieren, neue Absatz- und Beschaffungsmärkte außerhalb Chinas zu finden. „China+1“ nennt sich diese Strategie. „Indien und Südostasien sind die Gewinner dieser Strategie“, sagt Haizmann. Aber ganz raus aus China geht niemand: „Wir haben keine Kunden, die China verlassen.“
Haizmann hingegen vollzog sein – wie er es nennt – „persönliches De-Risking“. In den Jahren 2017/18 nahmen bei ihm die Gedanken zu, nach Deutschland zurückzukehren. Es gab dafür mehrere Gründe. Da waren familiäre Rückschläge. Und da waren grundsätzliche Gedanken über das Land, in dem er lebte: „Ist das noch das China, das ich vor 20 Jahren so spannend fand?“ Nein, das China hat sich verändert. Der Umgang mit den Behörden wurde schwieriger, die Offenheit in der Bevölkerung ist nicht mehr da. Im August 2022 siedelte Haizmann nach München über. Nach 20 Jahren Shanghai fallen einem natürlich einige Dinge auf. Er klagt über die Servicewüste Deutschland: „Der Mangel an Digitalisierung treibt mich in den Wahnsinn.“ Andererseits genießt er die Entschleunigung, die München im Gegensatz zu dem hektischen, hyperventilierenden Shanghai bietet. So fährt er öfter mit dem Rad an der Isar entlang ins Büro. Und manchmal ist auch ein Besuch im nahen Englischen Garten drin.