POLITIK I Nach den Gipfeln: Es droht eine eine gespaltene Welt

In den vergangenen Tagen fanden mehrere Gipfeltreffen statt. Zuerst trafen sich am 11. und 12. Juni im russischen Nischni Nowgorod die Außenminister der BRICS-Staaten. Unmittelbar danach war der G7-Summit im italienischen Apulien, ehe am Wochenende des 15. und 16. Juni auf dem Bürgenstock im schweizerischen Luzern eine Ukraine-Friedenskonferenz abgehalten wurde. Ein Ergebnis dieser schnellen Abfolge von hochkarätigen Konferenzen ist: Der Welt droht zunehmend eine Spaltung. Hier der westliche Block mit der Führungsmacht USA, dort der Block um China und Russland mit den BRICS-Staaten als Nukleus, dem sich zunehmend die autoritären Staaten des Nahen Osten (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) anschließen. Und selbst die Türkei klopft an. Ihr Außenminister Hakan Fidan deutete kürzlich in Beijing an, dass sein Land BRICS beitreten könnte. Der erste Kalte Krieg lässt grüßen. Ging es damals um Kapitalismus versus Kommunismus, so lautet heute die Auseinandersetzung Demokratie versus Autoritarismus. Und wie beim ersten Kalten Krieg buhlen beide Blöcke um die Staaten, die sich nicht explizit einem der beiden Lager anschließen wollen. Früher nannte man diese Länder die Dritte Welt, heute ist es der Globale Süden. So durften beim G7-Gipfel im Luxusressort Borgo Egnasia am Freitagnachmittag auch einige Staatschefs aus dem Globalen Süden teilnehmen, darunter die Präsidenten Indiens (Modi), Brasiliens (Lula), Südafrikas (Ramaphosa) und der Türkei (Erdogan). Diese Herren aus eher semi-demokratischen Staaten lassen sich aber in diesem aufkommenden Systemkonflikt nicht instrumentalisieren und vor den Karren der westlichen Demokratien in deren Feldzug gegen China und Russland spannen. Sie fahren ihren eigenen unabhängigen Kurs. Das war deutlich erkennbar beim Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz. Die großen Staaten des globalen Südens – darunter Brasilien, Indien, Mexiko, Saudi-Arabien und Südafrika – unterzeichneten das gemeinsame Abschlusskommuniqué nicht. 

China war bei den beiden Gipfeln in Italien und der Schweiz nicht vertreten. Beim ersten, dem G7-Gipfel, war China natürlich nicht eingeladen. Beim zweiten, der Ukraine-Friedenskonferenz, war China eingeladen, aber verweigerte die Teilnahme mit dem Hinweis, dass eine Friedenskonferenz ohne Russland keinen Sinn mache. Trotzdem wurde viel über das abwesende China geredet. Vor allem in Apulien. Die New York Times beobachtete: „China was still a major presence, with the summit´s final communiqué referencing the country 28 times, almost always as a malign force.” In der Tat: So ausführlich wurde China noch in keiner Abschlusserklärung behandelt. Im Kapitel Indopazifik heißt es: „Wir bekunden (jedoch) unsere Sorge darüber, dass China beharrlich Industrien ins Visier nimmt und umfassende nicht marktorientierte Strategien und Praktiken anwendet, die weltweit zu Übertragungseffekten, Marktverzerrungen und schädlichen Überkapazitäten in einer wachsenden Anzahl von Sektoren führen, was unsere Arbeitskräfte, Industrien und wirtschaftliche Resilienz beeinträchtigt.“ Auch Chinas Beziehung zu Russland wurde kritisiert: „Wir bringen unsere tiefe Sorge über die Unterstützung Russlands durch die Volksrepublik China zum Ausdruck.“ Den Ton gab dabei US-Präsident Joe Biden an. Er sagte: „China liefert keine Waffen, sondern die Fähigkeit, diese Waffen zu produzieren und die dafür verfügbare Technologie – damit hilft es Russland in der Tat.“

Deshalb war China auch in Luzern in der Kritik der westlichen Welt – und auch der Ukraine. Deren Präsident Wolodymyr Selenskyi zeigte sich im Vorfeld der Konferenz enttäuscht über Chinas Nicht-Teilnahme: „Leider lässt sich ein so großes, unabhängiges und mächtiges Land wie China zum Instrument in den Händen Putinsin einer machen.“ Doch bei seiner Pressekonferenz nach Ende der Konferenz waren seine Töne gegenüber China wieder etwas versöhnlicher. Als ihn ein chinesischer Journalist fragte, ob China ein Partner oder Feind der Ukraine sei, sagte er laut Ukrainska Pravda, dass er nie behauptet habe, dass China ein Feind der Ukraine sei: „Ich bitte Sie, solche Dinge nicht zu sagen.“  Und dann fügte er noch hinzu: „Ich denke, China könnte uns helfen.“ Selenskyi hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass China als Vermittler im Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle spielen könnte.

Info:

Die Abschlusserklärung der G7 in einer Arbeitsübersetzung der deutschen Bundesregierung: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975254/2292504/503d6da14ff848f2313bed4a301738da/2024-06-15-arbeitsuebersetzung-g7-data.pdf?download=1

Hier das Communiqué der Ukraine-Friedenskonferenz: https://www.eda.admin.ch/eda/en/home/das_eda/aktuell/dossiers/konferenz-zum-frieden-ukraine/Summit-on-Peace-in-ukraine-joint-communique-on-a-peace-framework.html

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