POLITIK I Gefährliche Konfrontation zwischen China und den Philippinen

Der Island Ballroom im Shangri-La Hotel in Singapur war am Abend des 31. Mai festlich geschmückt. Zum Essen gab es asiatische Leckerbissen, zum Trinken australischen Wein. Delegationen aus 40 Ländern hatten sich zum traditionellen Dinner zu Beginn des 22. Shangri-La Dialogue eingefunden. Der Dialog ist ein Stelldichein von Verteidigungsministern und Militärs, vor allem aus der asiatischen Welt. Aber auch die USA und die EU waren mit Verteidigungsminister Lloyd Austin bzw. dem Außenbeauftragten Josep Borrell prominent vertreten.

Die eröffnende Dinner-Speech hielt – wie meist in den vergangenen Jahren – ein Staatspräsident. Diesmal war es Ferdinand Marcos Jr, Präsident der Philippinen. Es war von vornherein klar, dass er Klartext reden würde. Und das tat er dann auch: „Illegal, coercive, aggressive, and deceptive actions continue to violate our sovereignty, sovereign rights, and jurisdiction.“ Wen er damit meinte, musste er nicht sagen. Jeder im Saale wusste es: China. Am Tisch der Chinesen wurden die Gesichter länger. Murren war zu vernehmen. Und als Gastgeber John Chipman nach der Marcos-Rede die Fragerunde eröffnete, stand als erster Generalmajor Xu Hui auf und legte, ohne sich vorzustellen, mit einer Philippika gegen die Philippinen los und unterstellte Marcos Jr. mit seiner Rede „ruining regional peace“. Früher blieben die Chinesen zähneknirschend sitzen. Jetzt stehen sie auf. Man wehrt sich. Zu dieser neuen Politik gehört auch, dass die chinesische Delegation Pressekonferenzen einberief. Aber nicht in den öffentlichen Räumen, sondern in einem Hotelzimmer und nur für 50 ausgewählte Journalisten.

Am Sonntag dann legte der relativ neue chinesische Verteidigungsminister Dong Jun in seiner Rede nach: „We will not allow any country or any force to create conflict and chaos in our region.” Mit “any country” meinte er die Philippinen. Weiter sagte Dong: „The Philippines had been embolded by outside powers”. Mit “outside powers” meinte er die USA.

Die diplomatischen Geplänkel in Singapur zeigen: Die Beziehungen zwischen China und den Philippinen sind gelinde gesagt nicht die besten. Sie haben sich in den vergangenen zwei Jahren zusehends verschlechtert. Denn seit Ende Juni 2022 ist Ferdinand Marcos Jr neuer Präsident. Er verfolgt eine andere Außenpolitik als sein Vorgänger Rodrigo Duterte, der eine Hinwendung zu China betrieb. Unter Marcos Jr. fand eine Kehrtwendung statt – hin zu den USA, was dort freudig aufgenommen wurde. So gratulierte Präsident Joe Biden als erster ausländischer Staatschef Marcos Jr., obwohl das amtliche Endergebnis noch gar nicht feststand. Gleich nach der Amtseinführung reiste im August 2022 Außenminister Tony Blinken nach Manila, um dort zu versichern, dass jedweder bewaffnete Angriff auf die philippinischen Streitkräfte, Schiffe oder Beistandsverpflichtungen der USA aus­lösen würde. Er bezog sich dabei auf den bereits 1951 zwischen beiden Ländern abgeschlossenen Vertrag über die gegenseitige Verteidigung (Mutual Defense Treaty, MDT). Höhepunkt der bilateralen Beziehungen war der Besuch von Marcos Jr im April 2024 in Washington. Dort sprach er erst mit Joe Biden. Danach trafen sich die beiden mit Japans Premier Fumio Kishida zum ersten Trilateralen Summit. Mit Japan knüpfte Marcos Jr. ebenso engere Kontakte wie auch mit Vietnam. Im Januar 2024 war er auf Staatsbesuch in Hanoi, wo die beiden Länder eine Zusammenarbeit im Südchinesischen Meer verabredeten.

Adressat all dieser bi- und trilateralen Aktivitäten ist China. Denn den Philippinen und seinen neuen wie alten Partnerstaaten geht das Engagement der Chinesen im Südchinesischen Meer im doppelten Sinne zu weit. China reklamiert einen Großteil des Südchinesischen Meeres, das die Filipinos übrigens Westphilippinisches Meer nennen, für sich. Derzeit umstrittenster Punkt ist das Second-Thomas-Schoal. Es liegt innerhalb der sogenannten exklusiven Wirtschaftszone der Philippinen, wird jedoch von China beansprucht. In den vergangenen Monaten kam es dort immer wieder zu Zusammenstößen zwischen philippinischen Fischerbooten und Versorgungsschiffen sowie der chinesischen Küstenwache. Es wurden dabei „nur“ Wasserkanonen und Laserwaffen eingesetzt. Beide Seiten hielten sich bislang mit ihren Kriegsschioffen zurück. Aber ob es dabei bleiben wird?

Marcos Jr  hat in seiner Singapur-Rede schon mal gewarnt: „The West Philippine Sea is part of the country’s lifeblood, hence, we will not allow the country to yield even one square inch or even a millimeter of its territory and maritime zones.”

Info:

Rede von Marcos Jr in Singapur: https://pco.gov.ph/presidential-speech/keynote-address-of-president-ferdinand-r-marcos-jr-for-the-21st-iiss-shangri-la-dialogue/?utm_source=substack&utm_medium=email

Und hier ein Video von Marcos Rede mit anschließendem Q&A: https://www.youtube.com/watch?v=Yy5Yn_kq0l0

Hier ein Video von Dongs Rede plus Q&A: https://www.youtube.com/watch?v=rygBNwzTFU0

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