An fast allen deutschen Universitäten geht die Zahl der Sinologie-Studenten zurück. Auch die Konfuzius-Institute, deren wichtigster Daseinszweck die Vermittlung der chinesischen Sprache ist, werden nicht gerade von Lernwilligen überrannt. Es ist schon reichlich schräg. Da wird allerorten mehr China-Kompetenz gefordert, die auch das Erlernen der chinesischen Sprache inkludiert, aber was passiert stattdessen: Es interessieren sich immer weniger junge Menschen. Warum dieses Desinteresse? Eine Antwort, die man häufig hört: Die negativen Berichte in den Medien würden viele abhalten, sich mit diesem Land und seiner Sprache intensiver auseinanderzusetzen. Denn wenn heutzutage ein junger Mensch sich zum Beispiel für ein Sinologie-Studium interessiert, bekommt er sofort von Freunden und Verwandten unbequeme Fragen: Mit diesem bösen Land willst du dich beschäftigen und darauf gar deine berufliche Karriere aufbauen? Aber stimmt denn dieser Vorwurf, dass die negative Berichterstattung über China schuld am Rückgang der Sinologie-Studierenden und Chinesisch-Lernenden sei? Mit dieser Frage beschäftigte sich Catherine Churchman in ihrem Essay „Why fewer people want to learn Mandarin“, das in China Heritage veröffentlicht wurde. Die Historikerin und Linguistin Churchman lehrt an der Victoria University in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington. Sie hat sowohl in Neuseeland als auch in Australien Studenten in Chinesisch unterrichtet. Sie glaubt nicht, dass nur die Medien schuld am Desinteresse für das Chinesische seien: „I am pretty sure that this is not the only, nor even the overriding reason for the decline in interest in learning Chinese.” Und dann zählt sie einige andere Gründe auf. “One of the main problems is that the Chinese actions promoted overseas by PRC apparatchiks is totally unappealing to the majority of young people.” Mit Kalligraphie oder Peking-Opern könne man eben keine jungen Menschen fürs Chinesische begeistern. Sie verkörpern das alte und nicht das moderne China. China wird – und das ist jetzt meine Interpretation der Gedanken von Churchman – als Softpower nicht wahrgenommen, weil es keine modernen Kulturexporte vorzuweisen hat. Anders als zum Beispiel die ostasiatischen Nachbarn. Korea wird mit K-Pop und einer kreativen Filmindustrie assoziiert, Japan mit Mangas. Das spricht junge Menschen an und erklärt auch deren zunehmendes Interesse für Japanologie und Koreanistik an den Universitäten. Neben diesen eher theoretischen Erklärungen nennt Churchman auch ganz praktische Gründe, warum das Erlernen der chinesischen Sprache unattraktiv ist. Sie verweist auf veraltete Lehrbücher „filled with unnatural languages and people who never heard of a smartphone and buying paper tickets on Beijing buses with cash”. Und zuletzt kritisiert sie den Unterricht: “Teaching methods are often old-fashioned and the people teaching Mandarin are often native speakers of Chinese who have no idea what it means to learn it from scratch as a foreign language.” Das sind jetzt Erfahrungen einer Neuseeländerin. Aber auch wenn sie vom anderen Ende der Welt stammen und nicht eins zu eins auf Europa zu übertragen sind, halte ich die Ausführungen von Catherine Churchman zumindest für nachdenkenswert und diskussionswürdig.
Info:
Hier der Beitrag von Catherine Churchman in China Heritage: https://chinaheritage.net/journal/why-is-chinese-so-boring/