Am 3. Mai um 5.30 Uhr Ortszeit startetet vom Weltraumbahnhof Wenchang auf der Insel Hainan eine Rakete vom Typ Langer Marsch. An Bord hatte sie eine Mondsonde. Diese soll auf der erdabgewandten Seite des Mondes landen. Dort im Aitken-Becken soll sie Gesteinsproben nehmen. Wenn alles nach Plan läuft, soll sie nach 53 Tagen mit rund zwei Kilogramm Gestein wieder zurück auf der Erde sein. Es wäre das erste Mal, dass Gestein von dieser Seite des Mondes untersucht werden kann. Es wäre auch ein Beweis dafür, wie weit die Chinesen mit ihrem Mondprogramm schon sind. Die Chang’e 6 – so der Name des Projekts – ist seit 2007 bereits die sechste Mondmission Chinas. Zwei weitere sind für 2026 (Chang‘e 7) und 2028 (Chang’e 8) geplant.
Wir sind damit mitten in einem neuen Space Race, einem Wettrennen ins All – erst zum Mond, später zum Mars. Das erste Space Race fand zwischen den USA und der UdSSR statt. Es begann 1957 mit dem Satelliten Sputnik 1, den die Sowjets zur großen Überraschung ins All schossen und endete mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Nach deren Ende wollte und konnte sich Russland das teure Raumfahrtprogramm nicht mehr leisten. Und auch die USA reduzierten ihre Aktivitäten im All, da sie ihre technologische Überlegenheit gegenüber der unterlegenen Sowjetunion nun nicht mehr beweisen mussten. Doch in den Folgejahren traten die Chinesen die Nachfolge der Russen an. Quasi im Schatten der beiden Weltraumgiganten USA und Sowjetunion und deshalb zunächst wenig beachtet stieg China Rakete für Rakete zu einem ernsthaften Rivalen auf. Schon im Oktober 1956 fiel unter Mao Zedong die Entscheidung, in die Raumfahrt zu investieren. Das Land hatte dabei zwei wichtige Geburtshelfer: den großen sozialistischen Bruderstatt UdSSR und einen verlorenen Sohn namens Qian Xuesen, der während dem Zweiten Weltkrieg in den USA an vorderster Front bei geheimen Raketenprojekten mitarbeitete, ehe er 1955 schmählich des Landes vertrieben wurde. In China wurde er schnell zum führenden Kopf der Raumfahrtaktivitäten. Er war verantwortlich für die ersten chinesischen Satelliten, die ins All geschossen wurden. Und er legte die Grundlagen für Chinas bemanntes Raumfahrtprogramm. Im Oktober 2003 flog Yang Liwei als erster Chinese ins All. 2009 starb Qian, aber Chinas Raumfahrtpläne lebten natürlich weiter. Inzwischen hat China mit der Tiangong (Himmelspalast) eine eigene Raumstation und so viele Raketenbahnhöfe wie kein anderes Land. Und mittlerweile hat sich auch der Fokus der chinesischen Weltraumpolitik geändert. War diese anfangs vor allem auf militärische Zwecke fixiert, so ist sie inzwischen längst auch ein Propaganda-Instrument. Man will der Welt zeigen, was das Land technologisch draufhat. Die USA wollen dagegenhalten.
Deshalb das neue Space Race, das sich zunächst Richtung Mond abspielt. Nach Plänen der NASA sollen in diesem Jahr drei Männer und eine Frau den Mond umrunden, für 2025 ist dann eine Landung auf dem Mond geplant (zuletzt war im Dezember 1972 in persona Eugene Cernan ein Amerikaner dort). Die Chinesen peilen eine bemannte Mondlandung für Ende des Jahrzehnts an.
Als nächstes stellt sich dann die Frage: Wer errichtet zuerst eine Station auf dem Mond? Die USA treten mit Lunar Gateway an, die Chinesen mit der International Lunar Research Station (ILRS). Beide haben Mitstreiter an Bord. Die NASA wird unterstützt von den Raumfahrtbehörden Europas (ESA), Japans (JAXA), Kanadas (CSA) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (MBRSC). Die China National Space Administration (CNSA) arbeitet vor allem mit der russischen ROSCOSMOS zusammen. Gerade hat CNSA-Direktor Wu Weiren auf der China Space Conference in Wuhan den Fahrplan verkündet: Bis 2035 soll eine Basisstation in der Südpolregion des Mondes stehen.
Für beide führenden Raumfahrtnationen ist der Mond freilich nur eine Durchgangsstation zum Mars. Sowohl die USA als auch China haben bereits mit der Kartierung des Mondes angefangen. Zwei NASA-Rover sind derzeit auf dem Mars unterwegs. Seit Mai 2021 kurvt auch der chinesische Rover Zhurong auf dem Planeten herum. Und wann wird der erste Mensch auf dem Mars landen? Die NASA verkündet vorsichtig: „Vielleicht 2039“. China – eher langfristig planend – geht von einem Zeitraum zwischen 2040 und 2060 aus.
Info:
Hier ein Artikel der Planetary Society über die Mission:
https://www.planetary.org/space-missions/change-6-collecting-the-first-lunar-farside-samples