China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Thomas Dorn (57).
Es gab verschiedene Wege, wie sich Old China Hands dem Thema China näherten. Manche sind ziemlich geradlinig, manche etwas verschlungen. Zum Beispiel der von Thomas Dorn. 1986 fing er sein Wirtschaftsingenieur-Studium an der FH München an und musste feststellen: Da sind ja fast keine Frauen im Hörsaal. Es gibt aber zwei Fächer – fand er bald heraus – wo der Frauenanteil wesentlich höher war: Kunstgeschichte und Sinologie. Weil das sinologische Seminar in der Nähe seiner Studentenbude war, schaute er dort vorbei und begann Chinesisch zu lernen. Zweimal zog er den Sprachkurs durch und entdeckte dabei seine Zuneigung zu China. Ein 1989 erfolgtes Praktikum in einem staatlichen Dieselmotorenwerk in Ningbo verstärkte diese. Nach Ende seines Wirtschaftsingenieur-Studiums (und einem MBA in Grenoble) bewarb er sich deshalb um eine Stelle in China. Erste Adresse war natürlich Volkswagen. Dort lernte er beim Bewerbungsgespräch Wenpoo Lee kennen (einen der ersten Chinesen im Konzern und Vater von Felix Lee), der seine Chinesisch-Kenntnisse testete und augenzwinkernd für gut befand. Trotzdem bot Volkswagen erstmals „nur“ eine dreijährige Traineestelle an. Dorn wollte aber möglichst gleich mit China in Berührung kommen. Das bot ihm MAN B&W Diesel in Augsburg. Schnell betreutete er dort chinesische Kunden, reiste öfter nach China und durfte 1992 in die Niederlassung nach Hongkong wechseln. Damals boomte in der Provinz Guangdong das Geschäft mit Motoren für Dieselkraftwerke, die MAN lieferte. Insgesamt zehn Jahre arbeitete Dorn für MAN, darunter war auch ein Aufenthalt in Indien. Zum Schluss wurde er in die Zentrale nach Augsburg zurückbeordert. Das war aber nichts für den Unabhängigkeit gewöhnten Mann von der Verkaufsfront: „Da war ich in einem zu engen Korsett.“ Er ging 2002 zurück nach China, nach Shanghai, das für den Mann aus Markdorf am Bodensee seine zweite Heimat werden sollte. Dort arbeitete er erst für mehrere deutsche Firmen – Fichtner Engineering, Demag Cranes und Vossloh – ehe er 2011 zu TLD wechselte, einem französischen Mittelständler, der all die Sondermaschinen herstellt, die auf dem Rollfeld eines Flughafens herumkurven. Für TLD betreute er von Shanghai aus das Asien-Geschäft. 2019 liebäugelte er dann mit einem Vorruhestand, den er mit seiner Frau auf Mauritius verbringen wollte. Warum Mauritius, die Insel im Indischen Ozean? Das kam so: 2012 nahm das Ehepaar Dorn am britischen Ball in Shanghai teil und gewann bei der Tombola einen Aufenthalt auf Mauritius. Zu Chinesisch Neujahr 2013 fuhren sie dorthin und waren begeistert von der tropischen Insel. In der Folge verbrachten sie jedes Chinesisch Neujahr auf Mauritius. Beim Aufenthalt 2016 besuchten sie dort einen Immobilienmakler. Dorn stellte fest: „Die Preise sind ja gar nicht so hoch.“ Sie kauften eine Wohnung. Doch mit dem Altersruhesitz sollte es vorerst nichts werden. Den für 2019 geplanten Vorruhestand musste er verschieben, weil sein Nachfolger erkrankte. Und dann kam Corona und er hing in Singapur und dann in Shanghai fest. Erst im März 2021 stieg er bei TLD aus, um endlich nach Mauritius zu wechseln. Denkste! Die Kollegen von TLD riefen ihn an, ob er nicht das Asien-Geschäft des Tochterunternehmens Adhetec aufbauen wolle. Diese Firma liefert die Folien, die Flugzeuge verzieren – wie zum Beispiel die Pandabären bei Sichuan Airlines oder die Hello-Kitty-Figuren bei EVA Airlines. Dorn sagte zu und beteiligte sich auch an dem Unternehmen. Statt auf Mauritius sitzt er nun in Tianjin, wo Airbus seinen chinesischen Standort hat. Doch nach wie vor ist er häufig in Shanghai, wo gleich vier chinesische Airlines und auch der Flugzeugbauer Comac sitzen. Überhaupt ist Dorn viel unterwegs, schließlich sind fast alle asiatischen Fluglinien seine Kunden. Er sagt: „Die Asiaten sind viel farbenfroher bei der Verzierung ihrer Flugzeuge.“ Die Flugzeuge scheinen sein Lebensinhalt zu sein. Mit ihnen verdient er sein Geld, in ihnen verbringt er viel Zeit. Immer mal wieder macht er einen Abstecher von Shanghai via Kuala Lumpur nach Mauritius („Da ist man 12 Stunden unterwegs“), reist zu einem Besuch in der deutschen Heimat, aber unternimmt auch viele Reisen innerhalb Chinas. „Ich kennen alle Provinzen“, sagt Dorn. Sein Hobby ist Archäologie („Ich liebe alles, was Staub ansetzt“) und da gibt es in China vieles zu entdecken. Demnächst reist er wieder einmal nach Xinjiang in die Jade-Stadt Hotan und die alte Oase Turpan. Mit dabei ist einer seiner beiden Söhne. Der eine macht ein Praktikum in China, der andere mastert seinen Ingenieursabschluss an der Tongji Uni in Shanghai. China-Affinität hat sich im Hause Dorn offenbar vererbt.