POLITIK I Der Nationale Volkskongress – ein Rückblick

4. März: Der Sprecher des Nationalen Volkskongresses, Lou Qinjian, gibt eine erste Pressekonferenz über den Verlauf des Kongresses. Die wichtigste Nachricht war die über eine Absage. Auf die Frage eines Reporters des China News Service (CNS) antwortete Lou, dass Ministerpräsident Li Qiang am Ende des Kongresses keine Pressekonferenz geben werde. Eine solche war bislang üblich, auch wenn sie nur aus eingereichten Fragen bestand. Inhaltlich stimmte Lou auf das wohl beherrschende Thema des NVK ein, nämlich Chinas Anstrengungen, technologisch aufzuholen. Lou kündigte an: “China is steadfast in its resolve for self-reliance in science and technology. No technological obstacle is too great to overcome as long as we persist in our endeavours.”

5. März: Ministerpräsident Li Qiang liest den (im Englischen) 40 Seiten langen Arbeitsbericht der Regierung vor. Als wichtigste Zahl kündigt er für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum um die fünf Prozent an. Weitere wichtige Zahlen: die Schaffung von 12 Millionen neuer Jobs, eine städtische Arbeitslosenrate von 5,5 Prozent, eine Inflationsrate von drei Prozent, private Einkommen plus fünf Prozent, Rückgang des Energieverbrauchs pro Einheit BSP 2,5 Prozent. Und noch eine Zahl fanden einige Beobachter wichtig: Der Namen Xi Jinping wurde 16mal in dem Bericht erwähnt. Das ist Rekord, seit er im Amt ist.

Unter den (ausländischen) Analysten überwog die Enttäuschung über den Bericht. Sie hatten mehr Stimuli zur Ankurbelung der Wirtschaft erwartet. Stellvertretend sei Tao Wang- sie ist Chief China Economist der UBS – zitiert: “They could have done more, and the support could have been greater.”

Abseits der Zahlen gab Li noch ein Versprechen an die Ausländer: “We will strengthen services for foreign investors and make China a favoured destination for foreign investment. We will make it easier for foreign nationals to work, study and travel in China.”

6. März: Xi Jinping traf unter anderem die Delegierten der Provinz Jiangsu und danach die 43 Vertreter der Science and Technology Group des NVK, darunter einige wissenschaftliche Koryphäen. In beiden Gesprächsrunden fiel mehrmals das neue Modewort “new quality productive forces”. Darunter werden verstärkte Anstrengungen in wichtigen Technologiefeldern verstanden. An die Adresse der Wissenschaftler richtete Xi den Appell: “[We should] improve basic research and apply basic research to fight the battle well for key technologies and cultivate new drivers of intellectual productivity.”

Pressekonferenz zu wirtschaftlichen Themen. Vertreter von NDRC, Finanz- und Handelsministerium und Zentralbank waren anwesend. Zentralbankchef Pan Gongsheng sprach von Raum bei der Senkung des Mindestreservesatzes (derzeit 7 Prozent).  Finanzminister Lan Fo’an beruhigte, indem er die Schuldenprobleme der Kommunen als „controllable“ bezeichnete. Gleichzeitig kündigte er die Ausgabe von Ultra-Long-Term Government Bonds an. NDRC-Chef Zheng Shanjie berichtete über die Aktion „swapping old for new“, in der die Konsumenten aufgefordert werden, alte Konsumgüter durch neue zu ersetzen. Handelsminister Wang Wentao pflichtete ihm bei: „Promoting the replacement of old consumer goods with new ones is not only a powerful measure to enhance the current economic growth momentum and consolidate the recovery, it’s also a long-term strategy to promote high-quality development.”

7. März: Außenminister Wang Yi trat vor die Presse. In eineinhalb Stunden beantwortete er 21 Fragen. Er streifte dabei fast alle Regionen. Warnhinweise gab er an die USA: “If there is conflict or confrontation between two major countries like the US and China, the consequences will be unimaginable.” Zu Taiwan wiederholte er Altbekanntes: Wer die Unabhängigkeit fordere, spiele mit dem Feuer. Im Ukraine-Konflikt plädierte er für eine Friedenskonferenz, zu der die Ukraine und Russland eingeladen werden müssten. Eine Friedenskonferenz forderte er auch für den Nahen Osten. Europa betrachte er wie China als Verteidiger des Multilateralismus. Sie sollten deshalb kooperieren. Interessant: Es wurden keine Fragen zu Japan und Indien zugelassen.

11. März: Eine Änderung des Law of the State Council wird mit 2883 Ja-Stimmen gegen 17 Neinstimmen bzw. Enthaltungen beschlossen. Das veränderte Gesetz gibt der Partei wesentlich mehr Kontrolle über den Staatsrat, der aus den Ministerien und wichtigen Institutionen (z. B.  der Zentralbank) besteht. Die Trennung von Staat und Partei ist damit nahezu aufgehoben. Reformer Deng Xiaoping und auch seine unmittelbaren Nachfolger waren mehr oder weniger Anhänger dieser Trennung. Doch schon in den vergangenen Jahren unter Xi Jinping wurden die staatlichen Stellen sukzessive an die Kandare der Partei genommen. Insofern vollzieht die Änderung nur de jure, was de facto schon praktiziert wird. Das Primat der Partei hatte einst Mao ausgerufen.

Info:

Hier der Arbeitsbericht der Regierung: https://drive.google.com/file/d/19EXmZOLNtgigwC4Z9taKRdgrHa4lhifj/view

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