POLITIK I Chinas (bislang) vergebliche Friedensbemühungen

Li Hui (71) ist wieder zurück in Beijing. Zwölf Tage tourte er Anfang März durch europäische Hauptstädte. Seine Route: Moskau – Brüssel – Warschau – Kiew – Berlin – Paris. Shuttle-Diplomatie nennt man das wohl. Thema war der Krieg in der Ukraine und dessen mögliches friedliches Ende. Li Hui ist der Special Representative of the Chinese Government on Eurasian Affairs. Schon vor knapp einem Jahr, im Mai 2023, tourte Li durch dieselben Hauptstädte. Damals hatte China kurz zuvor ein 12-Punkte-Papier (keinen Friedensplan!) vorgelegt. Was ist seitdem geschehen? Nicht viel. Das Papier spielte danach keine Rolle in der Diskussion. Li tauchte kaum mehr auf der internationalen Bühne auf.

Dabei möchte China gerne eine stärkere Vermittlerrolle einnehmen und sich als Friedensengel präsentieren. Und das nicht nur bei den Großkonflikten in der Ukraine und im Nahen Osten, sondern auch bei bilateralen Streitereien wie jüngst zwischen Pakistan und dem Iran oder auch innerhalb eines Landes wie im benachbarten Myanmar, wo seit Jahren Bürgerkrieg herrscht. Ermutigt zu dieser Mediatoren-Rolle fühlt sich China durch die erfolgreiche Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien, die just vor einem Jahr zur Überraschung vieler über die diplomatische Bühne ging.

Doch diesen Coup zu wiederholen ist schwierig. Das Dilemma ist die gegenseitige unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Großkonflikte. China sieht sich als neutraler Vermittler, der Westen betrachtet China hingegen in dem einen Konflikt als pro-russisch und in dem anderen als pro-palästinensisch. Diese Diskrepanz konnte man deutlich bei den Besuchen Lis in Brüssel, Berlin, Paris und Warschau spüren, wo Li bei seinen Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine auf große Reserviertheit stieß. Entsprechend karg waren die Kommuniqués. Das Auswärtige Amt in Berlin vermeldete gar nichts. Es war das chinesische Außenministerium, das eine Meldung verschickte, garniert mit zwei Fotos. Auf dem einen sitzen zwei einsame deutsche Diplomaten – einer davon ist Staatssekretär Thomas Bagger – einer mehrköpfigen chinesischen Delegation gegenüber. Ein Bild mit Symbolcharakter: Man empfing die Chinesen eher pflichtschuldig und ohne Erwartungen.

Anders in Kiew, das Li und seine Delegation mit dem Zug aus Warschau kommend erreichten. In der ukrainischen Hauptstadt war eher vergleichsweise großer Bahnhof, auch wenn Li dieses Jahr nicht von Wolodymyr Selenskyi persönlich empfangen wurde. Stattdessen traf Li  Selenskyis Bürochef Andrij Yermak, die stellvertretende Ministerpräsidentin Yulia Svyrydenko sowie Außenminister Dmytro Kubela zu Gesprächen. Zwar sieht die Mehrheit der Ukrainer China negativ (laut einer aktuellen Umfrage des Razumkov Centre sind es 72,5 Prozent), doch die Führung sieht das offenbar anders. Vita Golod, Vorsitzende der ukrainischen Sinologen-Vereinigung, sagt laut South China Morning Post: „Ukrainian people see China as a hostile country. But at the same time, the Ukrainian President and officials still want to see China at the same table with other countries to discuss peace talks.” In Kiew schätzt man China, weil es als einzige Macht Zugang zu beiden Seiten hat.

China soll auf Wunsch der ukrainischen Führung auch am Friedensgipfel teilnehmen, der dieses Jahr in der Schweiz stattfinden soll. Diesen hatte Selenskyi bei einem Besuch in Bern Mitte Januar mit der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd vereinbart. Dieses Gipfeltreffen war auch Gegenstand der Gespräche Lis in den diversen Hauptstädten. In Brüssel traf er sich dazu auch mit Schweizer Diplomaten, die dieses Treffen in diskreter Stille vorbereiten. Die große Frage ist, ob Russland an dem Summit teilnehmen soll und will. Wenn jemand Druck auf Russland ausüben kann, dann ist es China. Die Frage ist, ob China das will.

Info:

Hier das Statement des European External Action Service nach dem Brüssel-Besuch: https://www.eeas.europa.eu/eeas/ukraine-eeas-senior-officials-meet-chinese-special-envoy_en

Das Statement der Kiewer Regierung: https://www.president.gov.ua/en/news/andrij-yermak-proviv-brifing-dlya-delegaciyi-kitayu-na-choli-89577

Das chinesische Außenministerium über das Treffen im AA in Berlin: https://www.mfa.gov.cn/eng/wjbxw/202403/t20240311_11257178.html

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