GESELLSCHAFT I Mit dem Zweiten reist man besser

Ein Reisepass ist die Eintrittskarte in die große, weite Welt. Vorausgesetzt, man hat den richtigen. Denn nicht alle Reisepässe öffnen die Grenzen. Welche Reisedokumente die wertvollsten sind, ermittelt jedes Jahr der Henley Passport Index. Ganz oben stehen die vier EU-Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sowie Japan und Singapur. Bürger dieser Staaten können in 194 Staaten visumfrei einreisen.  Nur unwesentlich dahinter liegen andere europäische Länder sowie Australien und Neuseeland (jeweils 189), China hingegen ist in diesem Ranking weit abgeschlagen auf Platz 62. Besitzer eines chinesischen Reisepasses kommen in nur 85 Länder visumfrei.

Um in den Genuss von mehr Reisefreiheit zu gelangen, aber auch um für alle Fälle einen zweiten Standort zu haben, sind viele reiche Chinesen auf der Suche nach einem sogenannten Golden Visum. Es bietet ihnen die Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Land zu erhalten, wenn sie dort ein Haus kaufen oder eine große Investition oder Spende tätigen. Sehr beliebt war und ist Australien. Dort gibt es das sogenannte Significant Investor Visa (SIV). Wer mehr als fünf Millionen australische Dollar (etwas mehr als 3 Millionen Euro) im Lande investiert, erhält ein solches Visum. 85 Prozent der Antragsteller sind Chinesen, 5 Prozent stammen aus Hongkong. Dort war der Aufschrei groß, als kürzlich die Zeitung The Australian verkündete, dieses Programm werde eingestellt. Die australische Regierung überarbeitet derzeit ihre Immigrationspolitik, doch das SIV-Programm soll nicht gestrichen werden, erklärte das Migration Institute of Australia (MIA).

Europa steht ebenfalls ganz oben auf der Liste reicher Chinesen, die nach einem zweiten Standbein suchen. Allerdings wird es dort zunehmend schwieriger, ein Golden Visum zu bekommen. Der EU-Kommission sind solche Visa schon länger ein Dorn im Auge. Sie fürchten weniger die Chinesen, sondern mehr die Russen, die sich so Zugang zur EU verschaffen. Zwei Länder – Irland und die Niederlande – haben vergangenes Jahr solche Programme eingestellt, Großbritannien schon ein Jahr zuvor. Weiterhin Goldene Visa bieten vor allem die südeuropäischen Länder Griechenland, Italien, Malta, Portugal und Spanien an. Meist reichen Investments von mehr als 500 000 Euro. Besonders beliebt unter Chinesen sind Griechenland und Portugal. Die Griechen bearbeiten die Anträge besonders schnell. An Portugal schätzten die Chinesen “die hohe Lebensqualität, die Sicherheit, das milde Klima, die Gesundheitsversorgung und die guten Investitionsmöglichkeiten“, sagt gegenüber Jing Daily Frederik Pohl, Gründer von Pearls of Portugal, einer Agentur, die solche Golden Visa vermittelt.

Ein beliebtes Schlupfloch unter Chinesen hat die EU-Kommission allerdings geschlossen. Bewohner der Pazifikinsel Vanuatu dürfen seit einem Jahr nicht mehr visumfrei in die EU einreisen. Grund: Die kleine Insel Vanuatu mit ihren knapp 270 000 Einwohnern vergab großzügig Aufenthaltsgenehmigungen vor allem an Chinesen, die nicht mal auf der Insel wohnen mussten. Viele Chinesen kauften sich in Vanuatu ein, um über diesen Umweg nach Europa zu gelangen. Doch seit dem 4, Februar 2023 ist dies nicht mehr möglich.

No Comments Yet

Comments are closed