Xiangjiazhuang ist ein Dorf in der Provinz Shaanxi. Es gibt dort 270 Haushalte. In vielen davon leben Singles. 40 Männer im Alter zwischen 25 und 40 Jahren seien unverheiratet und suchen eine Frau, berichtet China Daily. Das lokale Parteikomitee versucht nun den Männern zu helfen. Es setzte ein matchmaking team ein, das ihnen beim Suchen behilflich sein soll. Im Erfolgsfall winkt eine Belohnung von 1000 Yuan (128 Euro). Diese Vermittler (mei ren, 媒人) haben Tradition in China.Ihr Einsatz in der Provinz Shaanxi ist ein Einzelfall. Landauf, landab bilden sich solche Teams. Dörfer, Städte und Bezirke organisieren messe-ähnliche matchmaking events. Ob diese Aktivitäten von Erfolg gekrönt sein werden, darf bezweifelt werden. Denn zu groß ist die Lücke zwischen (weiblichem) Angebot und (männlicher) Nachfrage, wenn man das Phänomen mal gesamtgesellschaftlich betrachtet. In Zahlen: Nach dem Zensus von 2020 leben in China 722 Millionen Männer und 690 Millionen Frauen. Zu diesem Geschlechter-Ungleichgewicht kommt noch ein weiteres Problem: Viele Frauen – vor allem in den Städten – wollen gar nicht heiraten. So ist die Zahl der Hochzeiten in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen: Kamen 2013 auf 1000 Chinesen noch 9,9 Hochzeiten, so waren es 2022 nur noch 4,8 Hochzeiten.
Heiraten ist deshalb in China ein großes Thema – auf politischer wie auf privater Ebene. Die Politik wünscht, dass sich mehr Chinesen trauen zu heiraten, weil sie sich davon mehr Kinder verspricht. Viele heiratswillige Männer wünschen sich eine Ehefrau. Und viele Eltern wünschen, dass ihre heiratsunwilligen Töchter endlich eine Ehe eingehen.
Weil so viele Chinesen aus unterschiedlichen Motiven Interesse an einer Eheschließung haben, hat sich ein gigantischer Heiratsmarkt entwickelt, der sich in vielen Facetten zeigt. Es gibt nach wie vor die traditionellen Heiratsvermittler, vor allem auf dem Lande. Sie kassieren im Erfolgsfalle einen gewissen Prozentsatz der Mitgift. Er beträgt zwischen drei und fünf Prozent, kann aber auch auf bis zu 15 Prozent steigen. In verschiedenen Provinzen – zum Beispiel in Jiangxi – versuchen die Behörden, diesen Markt zu professionalisieren, indem sie diese Vermittler registrieren, aber auch trainieren.
Viele Eltern gehen selbst auf die Suche nach Partnern für ihre Kinder. Dieses Phänomen wird baifaxiangqin (白发相亲) genannt. Auf öffentlichen Plätzen preisen sie ihre Kinder an und nennen dabei Alter, Ausbildung, Beruf und häufig auch das Einkommen. Berühmt sind die Heiratsmärkte im Volkspark in Shanghai oder im Jingshan Park nördlich der Verbotenen Stadt in Beijing. Nicht allen jungen Menschen gefallen diese Aktivitäten ihrer Eltern. Sie gehen lieber selber auf die Suche nach einem möglichen Ehepartner, wenn sie denn überhaupt heiraten wollen. Und wo kann man das in China besser als im Internet? In den vergangenen Jahren wurden Dutzende von Online-Datingagenturen gegründet. Die populärsten sind tantan, momo, baihe und qing chifan. Aber auch WeChat mischt mit seiner „people nearby“-Funktion mit.
Der Staat, der ja in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit Verboten und Restriktionen bei Online-Unternehmen eingegriffen hat, betrachtet das Treiben dieser Agenturen wohlwollend. Denn schließlich dient es einem gemeinsamen Ziel: dem Stoppen des Bevölkerungsrückgangs.
Info:
Hier ein Spiegel-Video über den Heiratsmarkt in Shanghai: https://www.youtube.com/watch?v=A4bGU7bs8mE
Und hier eine Übersicht über chinesische Dating-Agenturen: https://sampi.co/most-popular-chinese-dating-apps/