Seit dem 26. Januar sind wieder Hunderte von Millionen Menschen in China unterwegs. Es ist die Zeit des chun yun (春运), der 40-tägige Zeitraum, in dem fast alle Chinesen nur ein Ziel haben: zum Frühlingsfest (chun jie, 春节) nachhause zu kommen. Die größte friedliche Völkerwanderung der modernen Zeit ist jedes Mal eine logistische Mammutaufgabe. Neun Milliarden Reisen werden dieses Jahr erwartet, sagte der stellvertretende Verkehrsminister Li Yang. Davon werden 7,2 Milliarden mit dem Auto unternommen, der große Rest von 1,8 Milliarden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, also vor allem mit Bahn und Flugzeug. Täglich – so der Vizeminister – werden hierfür 12 700 Zugverbindungen und 16 500 Flüge angeboten, damit alle spätestens am 9. Februar zuhause sind. Dieser Tag ist der letzte Tag des alten Jahres. An diesem Abend beginnen die Feierlichkeiten, die sich über die folgenden 15 Tage hinziehen und erst mit dem Laternenfest (yuan xiao jie 元霄节) am 24. Februar enden. Nur die ersten sechs Tage sind offizielle Feiertage, erst danach erholt sich das öffentliche Leben wieder langsam.
Was an diesen 16 Tagen passiert, ist traditionell geregelt. Hier ein kurzer Fahrplan der Feierlichkeiten:
Neujahrsabend (vergleichbar unserem Silvester): An diesem Abend steht das große Familienessen auf dem Programm: tuan nian fan ((团年饭). Es gibt jiaozi und vor allem den Glück symbolisierenden Fisch. Viele schauen fern, und zwar die Neujahrsgala, die um 20 Uhr beginnt. Deren Attraktivität hat aber in den vergangenen Jahren nachgelassen. Um Mitternacht werden Fenster und Türen geöffnet, um das Glück hereinzulassen. Und es wird geböllert, auch wenn das inzwischen manche Städte aus Umweltgründen untersagt haben.
Tag 1 (Neujahrstag): Die Farbe Rot dominiert. Viele Kleider sind rot, Kinder bekommen (Geld-)Geschenke in roten Umschlägen (mittlerweile auch per WeChat). Man besucht Familienmitglieder, die ältesten zuerst. Auf den Straßen werden Drachentänze geboten. Und festlich gespeist wird natürlich auch.
Tag 2: An diesem Tag besuchen die Schwiegersöhne die Eltern ihrer Frau.
Tag 3: Ein weiterer Tag der Verwandtenbesuche. Aber vor allem im Süden des Landes bleibt man eher zuhause, denn dieser Tag – so die Mär – bietet hohes Streitpotential (unter Verwandten).
Tag 4: Der Tag des Küchengottes wird natürlich mit einem Festessen zelebriert. Dazu werden Räucherstäbchen angezündet.
Tag 5: Es ist der Geburtstag des Gottes des Reichtums. Meist haben an diesem Tag die Geschäfte wieder offen.
Tag 6: Ein Tag des Aufräumens nach all den vielen Festivitäten.
Tag 7: Der Geburtstag der Menschheit (ren ri, 人日). Früher feierten alle Chinesen an diesen Tag Geburtstag, denn individuelle Geburtstage gab es nicht.
Tag 8: Der Tag des Reises, dem wichtigsten Nahrungsmittel der Chinesen.
Tag 9: Geburtstag des Jadekaisers. Nach Mitternacht wird wieder geböllert. Tagsüber besucht man taoistische Tempel.
Tage 10-12: Wenig spektakuläre „Brückentage“, erste Vorbereitungen auf das Laternenfest werden getroffen.
Tage 13: Nach all den Völlereien der Vortage speist man an diesem Tag vorzugsweise vegetarisch.
Tag 14: Im Familienkreise bereitet man die wichtigste Speise des Laternenfestes vor: tang yuan ((汤圆), Reisklößchen mit süßer Füllung.
Tag 15: Am Tag des Laternenfestes spielen Laternen die Hauptrolle. Sie hängen an Häusern und Tempeln oder sie werden in Prozessionen durch die Straßen getragen. Auf vielen Laternen stehen Rätsel geschrieben. Wer sie lösen kann, bekommt ein Geschenk. Am Abend werden vor dem Haus Kerzen angezündet, um den Seelen der Verstorbenen den Weg nach Hause zu weisen.