Ende August hatte Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu seinen letzten öffentlichen Auftritt. Knappe zwei Monate später wurde er offiziell abgesetzt. Wie üblich gab es für eine solche Personalie keine Begründung. Nur Gerüchte schwirrten umher: War Korruption im Spiel? Erst Ende Dezember wurde sein Nachfolger bestimmt: Dong Jun (62). Mehrerer Monate blieb die Stelle des Verteidigungsministers also unbesetzt, was in fast jedem anderen Land undenkbar gewesen wäre, in China aber nicht. Denn dort hat der Verteidigungsminister lediglich eine repräsentative Rolle. Die militärische Macht liegt bei der Zentralen Militärkommission, deren Vorsitzender seit Maos Zeiten jeweils der Parteivorsitzende ist, derzeit also XI Jinping.
Mit Dong ist zum ersten Mal ein Mann der Marine an der Spitze des Ministeriums. Der in der Küstenstadt Yantai (Provinz Shandong) geborene Dong legte eine geradlinige Karriere in der PLAN (People´s Liberation Army Navy) hin. Er studierte an der Dalian Navy Academy und trat 1979 in die Marine ein. 2012 wurde er Konteradmiral, 2018 Vizeadmiral und im August 2021 schließlich Admiral. Seit September 2021 war er Kommandeur der PLAN, also der Marine, die in den vergangenen Jahren kräftig aufgerüstet und quantitativ – was die Zahl der Kriegsschiffe anbetrifft – die USA überholt hat. Bei den Flugzeugträgern, den militärischen Giganten der Meere, steht es allerdings 12 zu 3 für die USA. Militärexperte Andrew Erickson (U. S. Naval War College) bezeichnet Dong als „one of the PLA’s most experienced joint commanders, has deep expertise at the operational level of war.” Er habe – so Erickson weiter – “extensive naval experience in the Eastern and Southern Theater Commands, the two most important areas of unresolved PRC sovereignty claims, now aggressively pursued under Xi”. Die hier erwähnten östlichen und südlichen Einsatzgebiete betreffen Taiwan und das Südchinesische Meer.
Allerdings sind in seinem neuen Amt weniger operationale, sondern mehr diplomatische Fähigkeiten gefragt. So wird es eine seiner
wichtigsten Aufgaben sein, den militärischen Dialog mit den USA wieder in Gang zu bringen. Die Zeichen hierfür stehen gut. Beim Gipfeltreffen Biden-Xi in Kalifornien haben die beiden Staatschefs die Wiederaufnahme der Gespräche beschlossen, nachdem sie über ein Jahr lang ausgesetzt waren. Grund war der Pelosi-Besuch in Taiwan im August 2022, der Chinas Führung verärgert hatte. Zudem herrschte zwischen Beijing und Washington auch Funkstille, weil Dongs geschasster Vorgänger Li Shangfu auf der amerikanischen Sanktionsliste stand.
Die ersten Militär-Gespräche unterhalb der Ministerebene zwischen den beiden Staaten fanden bereits vergangene Tage statt. Wann es allerdings zu einem ersten Treffen zwischen den Ministern Llyod Austin und Dong Jun kommt, steht noch nicht fest, zumal Austin wegen einer Krebsbehandlung gerade außer Gefecht ist.
Info:
Hier die Analyse des amerikanischen Militärexperten Andrew Erickson: https://www.andrewerickson.com/wp-content/uploads/2023/12/CMSI-NOTE-2_Admiral-Dong-Jun-Engages-Friends-and-Foes_Erickson-Sharman_20231230.pdf
Und hier ein Interview mit Lyle Morris, Asia Society Policy Institute Centre for China Analysis: https://thediplomat.com/2024/01/chinas-military-shakeup-what-you-need-to-know/