WIRTSCHAFT I Wie geht es weiter?

Chinas Wirtschaft wird dieses Jahr um die fünf Prozent wachsen, das IMF erwartet sogar in einer soeben nach oben korrigierten Prognose 5,4 Prozent. Über eine solche Zahl würden sich viele westliche Wirtschaftspolitiker freuen. Aber diese schauen nicht neidvoll auf China, sondern eher nörgelnd-sorgenvoll. Sie sehen trotz dieser stolzen Zahl Chinas Wirtschaft in der Krise. Deren wichtigste Symptome sind Immobilienblase, hohe Jugendarbeitslosigkeit, Konsumschwäche, Verschuldung auf lokaler Ebene. Probleme, die von Chinas Führung nicht geleugnet werden. Insofern war es wichtig zu erfahren, wie Chinas Führung diese Probleme angehen will. Zwei wichtige Sitzungen in den vergangenen Tagen sollten darüber Aufschluss geben. Zuerst tagte am 8. Dezember das 24köpfige Politbüro der KP Chinas. Drei Tage später fand die Central Economic Working Conference (CEWC) statt. Sie findet traditionell Mitte Dezember statt und wird von Partei (Zentralkomitee) und Regierung (Staatsrat) veranstaltet. Auf beiden Sitzungen wurde auf das Jahr 2024 zurück- und auf das Jahr 2025 vorausgeschaut. Partei- und Staatschef Xi Jinping hielt jeweils die Eingangsreden. In den Readouts beider Treffen wird auf „some difficulties and challenges“ hingewiesen. Diese werden auch genannt: „insufficient effective demand, overcapacity in some industries“. Ebenso wird von einer zunehmenden „uncertainty of the external environment“ gesprochen. Mit einem Neun-Punkte-Programm soll diesen Problemen begegnet werden. An erster Stelle werden weitere technologische Innovationen gefordert, vor allem in den Branchen Digitales, KI, Biomedizin und Raumfahrt. Zweitens soll die inländische Nachfrage gesteigert werden. Hier werden ausdrücklich die Bereiche „smart homes, entertainment, tourism and sports events“ erwähnt. Außerdem sollen mehr heimische Produkte („China-chic goods“) angeboten und gekauft werden. Unter Punkt Drei wird eine „deepen reform in key areas“ versprochen. So wird eine neue Reformrunde des Steuersystems angekündigt. Bei Punkt Vier werden vor allem Ausländer angesprochen: „Barriers shall be removed to make it easy for foreigner to do business, study and travel in China.” Die erleichterten Visabestimmungen für einige europäische Länder waren wohl der Anfang dieser Politik. Interessant ist unter Punkt Vier das Propagieren einer Brand namens „Invest in China“. Soll das so etwas Ähnliches wie InvestHK werden? Das ist eine staatliche Agentur, die ausländische Investitionen in Hongkong fördert. Unter Punkt Fünf wird auf den Immobilienmarkt eingegangen und von einem „new development model for the real estate market“ gesprochen. Seit einiger Zeit wird ja eine zumindest partielle Übernahme des Singapur-Modells des Housing and Development Boards (HDB) diskutiert (ich werde in einer der nächsten Ausgaben über dieses Modell und die chinesische Diskussion berichten). Die Punkte Sechs (Landwirtschaft), Sieben (Regionalpolitik) und Acht (Ökologie) lasse ich mal aus. In Punkt Neun geht es um den Lebensunterhalt der Chinesen. Der Beschäftigung von Schlüsselgruppen (es sind wohl die arbeitslosen Jugendlichen gemeint) werde hohe Priorität eingeräumt. Außerdem will die Politik die Erhöhung der Geburtenrate beschleunigen.

Bill Bishop (Sinocism) hat das Programm meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht: „an ambitious document heavy on aspirations and light on details.“ Es ist kein großer Wurf und erst recht kein massives Stimulus-Paket, das manche Beobachter erwartet haben. Es ist eher ein step-by-step-approach, was aus der neuen Formulierung „establishing the new before abolishing the old“ abgeleitet werden kann. Manche hatten auch die Nennung eines Wachstumsziels für 2024 erwartet. Doch das wird erst auf dem Nationalen Volkskongress im März erfolgen.

Info:

Das Readout nach der Konferenz vom 11./12. Dezember:  https://english.news.cn/20231214/4f94c9806822484283c3d304a0ad0042/c.html?utm_source=substack&utm_medium=email

Und hier das Readout nach der Politbüro-Sitzung vom 8. Dezember: https://english.news.cn/20231209/1a3fda9ed9d64c55ab74df3db5091dd4/c.html?utm_source=substack&utm_medium=email

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