In den vergangenen Monaten und Jahren ist ja viel von einem Decoupling von China geredet worden. Es war eine Diskussion im faktenfreien Raum. Denn niemand wusste, was ein solches Abkoppeln wirtschaftlich bedeuten würde. Jetzt hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) erstmals Zahlen geliefert. In ihrer Studie „Was wäre wenn? Die Auswirkungen einer harten Abkoppelung von China auf die deutsche Wirtschaft“ untersuchte das IfW die Folgen eines solchen worst case scenario. Die Forscher um den IfW-Präsidenten Moritz Schularick gehen bei ihrem Modell von einem Zerfall der Weltwirtschaft in drei Blöcke aus: Erstens die westlichen Volkswirtschaften (31 Länder, 54 Prozent des Welt BIP), zweitens die Rivalen, bestehend aus China und Russland (15 Prozent) und drittens die Neutralen (31 Prozent). In ihrem Scenario „Kalter Krieg 2.0“ kommt es zu keinem wirtschaftlichen Austausch zwischen dem Westen und China. Kurzfristig würde in diesem Falle die deutsche Wirtschaft einen Schock erleiden. Denn es käme zu einem Wohlfahrtsverlust von etwa fünf Prozent der Bruttonationalausgaben (BNA). „Das wäre eine schwere Einbuße und auch sehr teuer“, sagte Schularick bei der Vorstellung des Reports, „aber es sei auch machbar“. Dass Deutschland einen solchen Verlust stemmen könnte, hätte sich bei der globalen Finanzkrise und der Covid-19-Pandemie gezeigt. Zudem würden sich nach der ersten Schockphase die Wohlfahrtsverluste bei 1,5 Prozent einpendeln. Gleich zu Beginn der Vorstellung der Studie bemühte sich Schularick darauf hinzuweisen, dass er sich ein solches Szenario nicht wünscht: „Es geht hier nicht um ein normatives Statement oder ein policy advice“, sagte er etwas blauäugig. Ein Decoupling ist derzeit auch in der politischen Diskussion nicht aktuell. Dort favorisiert man inzwischen ein milderes Derisking. Auch dessen Auswirkungen wurden in dem Report untersucht. Das wenig verwunderliche Ergebnis: „Ein schrittweiser Derisking-Ansatz führt zu deutlich kleineren Verlusten im Vergleich zu einer plötzlichen harten Entkoppelung.“ Diejenigen, die für eine Derisking-Strategie plädieren, werden die Studie als Beweis dafür nehmen, dass ja alles nicht so schlimm ist. Andere werden Fragen an die Autoren. Zum Beispiel: Glauben Sie, dass Unternehmen wie Daimler, Volkswagen oder auch BASF ein Decoupling von heute auf morgen überleben werden? Oder: Wie wird sich ein Abkoppeln auf die Innovationsfähigkeit der deutschen Unternehmen auswirken, wo doch China inzwischen – wie es Jörg Wuttke nennt – zum „Fitnesscenter für deutsche Unternehmen“ geworden ist? Fragen, auf die diese makrökonomische Analyse keinen Antworten hat.
Info:
Die Studie kann man hier herunterladen: