Stellen Sie sich vor es ist Fußballweltmeisterschaft, und China spielt mit. Das gab es erst einmal bei den Männern, damals 2002 in Korea und Japan, wo sie jedoch in der Vorrunde tor- und punktlos sofort ausschieden. Hoffen wir, dass die Männer bei der am Donnerstag startenden Frauen-WM in Australien und Neuseeland zusehen und mitfiebern. Die Teamkolleginnen könnten ihnen dann zeigen, wie’s geht. Als amtierende Asienmeisterinnen haben sie sich erfolgreich qualifiziert. Auch wenn sie dazu in den Spielen gegen Japan und Südkorea wohl ein Quäntchen Glück benötigten, die Chinesinnen haben immerhin geschafft, wovon ihre männlichen Kollegen nur träumen können.
Es braucht offenbar Frauenpower, um China im Fußball voranzubringen. Dass sie die nötige Power und darüber hinaus eine legendäre Ausdauer besitzen, bewiesen die Chinesinnen 1999, als sie es in der WM bis ins Finale schafften. Im alles entscheidenden Spiel gegen die USA kämpften die Chinesinnen bis zuletzt und bewiesen mentale Stärke. Erst durch Elfmeterschießen- noch dazu mit zwei umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen zu Ungunsten Chinas – konnten die Amerikanerinnen damals das Spiel für sich entscheiden. Die Chinesinnen aber gewannen die Sympathie ihrer Fans und erhielten damals den Spitznamen stählerne Rosen (铿锵玫瑰), den sie bis heute tragen. Die Rose (meigui玫瑰) steht in China für Schönheit und Weiblichkeit. Keng qiang (铿锵) ist in diesem Zusammenhang ein Adjektiv, bezeichnet aber eigentlich ein Geräusch wie „klirren“, als würde Metall aneinanderschlagen. Zusammengesetzt trifft die Übersetzung „stählerne Rosen“ die Bedeutung ganz gut. Das metallene Geräusch steht für Stärke und Willenskraft, welche die Fußballfrauen damals bewiesen. Ob ihnen ein solcher Erfolg ein zweites Mal gelingt, ist alles andere als sicher. Als Weltranglisten-Vierzehnte gehören die Chinesinnen zwar zu den erfolgreichsten Teams der Welt, nicht aber zur absoluten Spitze. In der anstehenden WM müssen sie sich in der Gruppe D gegen Dänemark (22. Juli. 14 Uhr), Haiti (28. Juli. 13 Uhr) und England (1. August. 13 Uhr) durchsetzen. Egal wie sie dann spielen, eine gute Figur machen sie bestimmt. Das liegt nicht zuletzt wohl auch am neuen Ausstatter der Fußballdamen: Prada. Die italienische Nobelmarke – das wurde kurz vor Turnierbeginn bekanntgegeben – kleidet die Spielerinnen plus Betreuer abseits des Platzes ein. Ob Nationaltrainerin Shui Qingxia (水庆霞) in Prada oder in Adidas – dem sportlichen Ausrüster der Chinesinnen – am Spielfeldrand ihr Team dirigiert, wird man sehen. Die 57jährige ehemalige Abwehrspielerin aus Jiangsu hat viel Erfahrung. Sie wurde 1996 Olympiazweite mit den Chinesinnen. Sie spielte ihre aktive Karriere über bei Shanghai Shengli. Erst zwei Monate vor Beginn der Asienmeisterschaft zur Nationaltrainerin ernannt, konnte sie gleich einen ersten großen Erfolg einfahren.
Unbestrittener Star des Teams ist die 28jährige Wang Shuang (王霜) aus Wuhan. Der Vorname der im Januar geborenen (Shuang), bedeutet übrigens Raureif, möglicherweise ein Hinweis auf die Witterungsbedingungen am Tag ihrer Geburt. Wang spielte schon in Frankreich für Paris Saint Germain. Derzeit ist sie unter Vertrag bei Racing Louisville FC im amerikanischen Kentucky. Während der Asienmeisterschaften hatte Wang mit Verletzungen zu kämpfen. Für die WM ist sie nun aber wieder spielbereit. Aufsteigender Stern der Mannschaft ist die 22-Jährige Zhang Linyan (张琳艳). Auf die mit 1,52 eher kleine Mittelfeldspielerin muss man also achten, wenn es am 22. Juli im ersten Spiel gegen Dänemark geht. Dieses Spiel wird erste Hinweise geben, ob die stählernen Rosen auch auf dem Spielfeld eine bella figura abgeben.
Info:
Mehr über die chinesischen Fußballfrauen in dem Artikel in “The Guardian”: Women’s World Cup 2023 team guides part 13: China | Women’s World Cup 2023: Guardian Experts’ Network | The Guardian