Nun hat die China-Diskussion auch die Kultur erreicht. Sollen Orchester oder Schauspielensembles in China auftreten? Dieser Frage geht Hartmut Welscher, Herausgeber des VAN Magazins, einem Beitrag in eben diesem Magazin nach. Die Klassikwelt sei gespalten, schreibt er und illustriert das gleich zu Beginn an einem Beispiel. Im Oktober 2022 waren die Wiener Philharmoniker zu Konzerten in Hongkong. Doch darüber war weder ein Wort auf deren Homepage und – entgegen den sonstigen Gepflogenheiten – noch in den sozialen Medien zu finden. Man wollte diesen Auftritt nicht an die große Glocke hängen, zitiert Welscher die Pressesprecherin der Philharmoniker. Während die Philharmoniker also eher unbemerkt von der Kritik durch China reisen wollten, halten die Wiener Symphoniker nichts von solcher Leisetreterei. Sie traten Ende Mai bei sieben Konzerten in Beijing, Shanghai, Shenyang und Tianjin auf und berichteten darüber ausgiebig. Dirigent Ádám Fischer: „Meine Einstellung ist, dass wir für die Menschen Musik machen. Aber man darf sich nicht korrumpieren lassen.“
Reisen oder Nicht-Reisen? Das ist also die Frage, die zunehmend die Macher in der klassischen Kulturwelt umtreibt. Welscher berichtet von roten Linien, über die derzeit in Gesprächen mit Orchesterdirektoren und Intendanten diskutiert wird. Die Diskussion intensivierte sich nochmals nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Danach wurden alle westlichen Auftritte in Russland gestrichen. Soll man mit China ähnlich verfahren? Kann man sich einen Boykott Chinas überhaupt leisten? Vor Corona war China für die kriselnde Branche wichtig. Das Land galt als attraktiver Gastspielort. Die Berliner Philharmoniker haben die Frage für sich so entschieden: In Russland treten sie nicht mehr auf, aber in China schon. Im Juni 2024 wollen sie ihre geplante Shanghai-Reise nachholen, die dieses Jahr wegen der Corona-Spätfolgen ausgefallen ist.
Info:
Hier der Artikel von Hartmut Welscher: https://van-magazin.de/mag/china-orchester-tourneen/