POLITIK I Die Sicherheitsstrategie ist da, wann kommt die China-Strategie?

Es war eine gelungene Inszenierung. Bei strahlendem Sonnenschein nahmen am vergangenen Mittwoch Bundeskanzler Olaf Scholz und vier seiner Minister den Fußweg vom Kanzleramt zum Haus der Bundespressekonferenz. Das gab schöne Bilder der begleitenden Fotografen. Sie sollten koalitionäre Einheit demonstrieren nach den Tagen und Wochen des Streits um Heizungen. Um 11.02 Uhr nahmen die Fünf auf dem Podium im großen Saal der Bundespressekonferenz Platz. So einen ministerialen Auftrieb gab es zuletzt 1978. Aber das Thema war ja diesmal sehr bedeutend: Zum ersten Mal wurde eine Nationale Sicherheitsstrategie präsentiert. Ein fleißiger Mitarbeiter drückte jedem Minister noch schnell ein Exemplar in die Hand. Blitzlichgewitter. Dann konnte es losgehen. Olaf Scholz redete als erster. Er sprach, dass es in dem 76-Seiten-Papier nicht allein ums Militär und Verteidigung gehe wie einst in den Weißbüchern des Verteidigungsministeriums. Nein, hier sei ein umfassender Sicherheitsansatz gewählt worden. Es fällt häufig der Begriff Integrierte Sicherheit, auch bei dem anschließenden Beitrag von Annalena Baerbock. Sie sagt: „Sicherheit im 21. Jahrhundert ist mehr als Militär und Diplomatie.“ Dann darf noch Christian Lindner ein paar Sätze sagen, ohne zu sagen, was das alles kostet, was in diesem Wunschkatalog drinsteht. Um 11.24 Uhr war dann die Fragerunde eröffnet. Es gab Fragen, warum die Sicherheitsstrategie so spät komme, schließlich war sie bereits für Mitte Februar zur Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt. In der Antwort kein Wort darüber, dass es Abstimmungsprobleme zwischen Kanzleramt und AA gab. Scholz sagte nur: „Wir haben doch klasse Arbeit geleistet“. Und schwenkte das Papier, begleitet vom bekannten schmallippigen Scholz-Grinsen.

Es gab Fragen, warum es keinen Nationalen Sicherheitsrat geben wird, wie zum Beispiel von der FDP und auch der CDU gefordert. Baerbock antwortet: „Wir hatten uns in den vergangenen Monaten häufig im Sicherheitskabinett getroffen und sahen: Mensch, das ist doch ne Supersache.“ Also bräuchte es kein neues Gremium.

Und es gab Fragen zu China. Im Text selber steht relativ wenig zu China. Und das wenige ist auch nicht gerade neu oder gar originell. Auf Seite 23 heißt es: „China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Dabei sehen wir, dass die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben. China versucht auf verschiedenen Wegen, die bestehende regelbasierte internationale Ordnung umzugestalten, beansprucht immer offensiver eine regionale Vormachtstellung und handelt dabei immer wieder im Widerspruch zu unseren Interessen und Werten. Regionale Stabilität und internationale Sicherheit werden zunehmend unter Druck gesetzt, Menschenrechte werden missachtet. Seine Wirtschaftskraft setzt China gezielt ein, um politische Ziele zu erreichen. China bleibt zugleich ein Partner, ohne den sich viele globale Herausforderungen und Krisen nicht lösen lassen. Gerade auf diesen Feldern müssen wir daher die Möglichkeiten und Chancen für eine Zusammenarbeit nutzen.“ Einige Seiten später heißt es im Wirtschaftsteil ohne China namentlich zu nennen: „…müssen Lieferketten stärker auf etwaige kritische Abhängigkeiten überprüft werden.“ Außerdem: „Investitionen in kritische Infrastrukturen wird die Bundesregierung auch weiterhin kritisch prüfen.“

Viele Allgemeinplätze, wenig Konkretes. Das reizte die Journalisten zum Nachfragen. Zum Breispiel wollte Jochen Buchsteiner (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) wissen, wie sich Deutschland in einem Konflikt mit Taiwan positionieren wolle, oder ob es eher im Macron- oder im US-Lager stehe? Die Antworten fielen sowohl bei Scholz als auch bei Baerbock formelhaft aus. Scholz verweist auf das G7-Kommuniqué von Hiroshima. Baerbock spricht von De-Risking statt Decoupeln. Und dann mischt sich noch kurz Christian Lindner ein: „Die USA sind unser Wertepartner, China hingegen ist Handelspartner, aber kein Wertepartner.“

Nein, viel Erhellendes zum Umgang mit China gab es nicht. Deshalb warten jetzt viele Beobachter auf die Veröffentlichung der China-Strategie der Bundesregierung. Auch die ist überfällig. Als Olaf Scholz gefragt wurde, wann sie denn nun endlich komme, antwortete er auf seine schnoddrige, manchmal auch arrogante Art: „Wirt sind fertig, wenn wir fertig sind.“ Und dann fügt er doch noch eine unbestimmte Zeitangabe hinzu: „Aber bald.“ Beobachter rechnen noch vor der parlamentarischen Sommerpause mit der Veröffentlichung der China-Strategie.

Info:

Hier kann man die Nationale Sicherheitsstrategie herunterladen: https://www.nationalesicherheitsstrategie.de/Sicherheitsstrategie-DE.pdf

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