Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Erinnern Sie sich noch an den Aufruhr, den Emmanuel Macron vor ein paar Wochen verursachte, als er im Rückflug von China verkündete, Europa solle sich in einem möglichen Taiwan-Konflikt zwischen China und den USA heraushalten? „Von allen guten Geistern verlassen“ sei er, twitterte zum Beispiel der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Doch das Volk denkt offenbar anders als der polternde Röttgen und ein paar andere Volksvertreter – auch aus den Reihen der Regierungskoalition. Das ergab eine aktuelle Umfrage des European Council on Foreign Relations (ECFR). 62 Prozent der Europäer plädieren danach für eine neutrale Haltung, in Deutschland sind es 60 Prozent. Auch betrachten viele europäische Bürger China als „necessary partner“. In vielen Ländern Europas wird jedenfalls China eher als Partner denn als Rivale gesehen. Auch darin unterscheiden sich die Bürger von den herrschenden Politikern in Berlin und Brüssel. Zwar schauen diese gerne auf Meinungsumfragen und reagieren häufig auf unliebsame Ergebnisse. Doch in der Außenpolitik scheint dieser Konnex nicht zu gelten. Dort ist Volkes Stimme wenig gefragt, auch wenn das Außenministerium in Vorbereitung der soeben verkündeten Nationalen Sicherheitsstrategie ein paar Townhall-Meetings veranstaltete. Auswirkungen hatten diese auf den Text aber erkennbar wenig. Kein Wunder also, dass sich 60 Prozent der Bevölkerung – auch das ist ein Ergebnis der ECFR-Umfrage – sagten, dass ihnen die Regierungen bei außenpolitischen Themen nicht zuhören würden. Doch was lese ich da in der Sicherheitsstrategie: „Die Bundesregierung wird den kontinuierlichen Dialog mit den Menschen unseres Landes zu diesen Themen führen.“ Hohn oder Versprechen?

Wolfgang Hirn

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