WIRTSCHAFT I Jugend ohne Arbeit und Perspektive

Von wegen Bankgeheimnis: Viele junge Chinesen zeigen in diesen Tagen in aller Öffentlichkeit, das heißt heutzutage in den sozialen Medien, wieviel Geld sie auf ihren Konten haben. Eigentlich müsste es heißen, wie wenig sie auf ihrem Konto haben. Auf Weibo posten unter dem Hashtag „My real savings at 26“ gerade junge Chinesen im Alter von 26 Jahren Screenshots ihrer Kontoauszüge. Es sind mickrige Beträge: 0,14 Cents bei dem einen, immerhin stolze 67 Dollar (die Beträge wurden umgerechnet) bei dem anderen. Letzterer, ein Kontoinhaber aus der Provinz Jiangsu, schreibt dazu: „Ersparnisse? Welche Ersparnisse? Lebt derzeit nicht jeder von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck?“. Immerhin hat er einen Job. Aber der Frust geht um unter vielen jungen Chinesen – sowohl bei denen, die einen Job haben, aber nicht für ein Auto und eine Wohnung (die Eintrittskarten in eine Ehe) sparen können, und erst recht bei denen, die keinen Job haben. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau. Im April war jeder fünfte Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren ohne Job. Während die allgemeine Arbeitslosenrate bei rund fünf Prozent liegt, beträgt sie bei den jungen Chinesen 20,4 Prozent. Warum ist das so? Eine Goldman-Sachs-Analyse („Why has youth employment risen so much in China?”) versucht sich an Antworten und unterscheidet dabei zyklische und strukturelle Faktoren. Die zyklischen haben konjunkturelle Ursachen. So kommt die Dienstleistungsbranche erst langsam nach Corona wieder in Fahrt. Aber gerade die Serviceindustrie beschäftigt besonders viele jungen Leute. Eher strukturell ist das Problem, dass die Unis die „falschen“ Leute ausbilden: „There appears to be a misalignment of academic disciplines with business requirements“, schreiben die Goldman-Sachs-Analysten. So seien zum Beispiel in den vergangenen Jahren viel zu viele Studenten im Bildungssektor ausgebildet worden. Doch gerade dort seien vor allem durch staatliche Eingriffe viele Stellen weggefallen. Auch im einst boomenden Immobiliensektor, der stets viele Uni-Absolventen aufgenommen hat, ist aktuell wenig Bedarf. Das Problem der arbeitssuchenden Akademiker könnte sich in nächster Zeit noch verschärfen, denn im Juli verlassen über zehn Millionen junge Menschen die Hochschulen. Die Nöte der Jung-Akademiker bekommen die mediale Aufmerksamkeit, aber das eigentliche Problem sind die jungen Arbeitssuchenden mit geringer Ausbildung. Sie machen mit rund 70 Prozent den Löwenanteil der jungen Arbeitslosen aus. Die Regierung sieht das Problem und versucht es etwas zu lindern. Das Militär und auch Staatsunternehmen sind angewiesen, mehr junge Leute einzustellen. Ansonsten hofft man auf das Anziehen der Konjunktur, vor allem im Dienstleistungssektor. So heißt es denn auch im Goldman-Sachs-Papier: “Our analysis and detailed data on youth unemployment suggest promoting services activity growth could help lower youth unemployment rate.”

Info:

Den Goldman-Sachs-Report “Why has youth employment risen so much in China?“ gibt es hier: https://www.gspublishing.com/content/research/en/reports/2023/05/21/4c0bf50b-da41-4bbf-9451-965fca4bbf58.html

No Comments Yet

Comments are closed