WIRTSCHAFT I Chinesische Autoimporte ausbremsen?

Während sich beim G7-Gipfel in Hiroshima die Regierungschefs Gedanken machten, wie sie von China unabhängiger werden können, verbreiteten die Medien eine Meldung, die zeigt, dass dieses Unterfangen nicht so einfach zu bewerkstelligen ist: Ausgerechnet bei den Autos wird die Welt immer abhängiger von China. Im ersten Quartal avancierte China zum Export-Weltmeister und löste damit Japan ab. Knapp über eine Million Autos made in China wurden in aller Welt verkauft, 40 Prozent davon waren Elektroautos. Viele der Exporte gingen nach Russland. Die Chinesen profitierten davon, dass sich die westlichen Hersteller von dort zurückzogen. Aber viele chinesische Autos wurden im ersten Quartal auch in Westeuropa verkauft, und auch in Deutschland. Bei den deutschen Autoimporten betrug der Anteil der Chinesen im ersten Quartal bereits knapp 30 Prozent. Warum die Chinesen Marktanteile gewinnen, erklärt Autoexperte Stefan Bratzel (Center of Automotive Management/CAM) mit der Innovationsstärke bei E-Autos, aber vor allem mit kostengünstiger Produktion. Insbesondere Geely (Marken: Polestar, Lynk & Co und Volvo) sowie BYD traut er in Europa viel zu: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Chinesen Marktanteile gewinnen werden, vor allem im mittleren und unteren Segment.“ BYD bietet zum Beispiel seinen Seagull zwischen 15 000 und 25 000 Euro an. In dieser Preisklasse kann Europa nicht mithalten: “There are practically no models from Europe in this segment“, konstatiert Bratzel. In einer vom US-Magazin “Forbes” zitierten Studie der Investmentbank UBS heißt es: „We see BYD as the biggest threat to European mass market manufacturers.“ Die chinesischen Hersteller profitieren besonders von der EU-Politik, die Verbrenner bis 2035 von den Straßen zu verbannen, denn China hat die günstigen Einstiegsmodelle. Das hat Folgen für die europäische Autoindustrie. Allianz Research hat soeben eine ernüchternde Studie veröffentlicht: „The Chinese challenge to the European automotive industry“. Für den Autor Aurélien Duthoit ist „the swift to battery electric vehicles (BEV) a game changer for the European automotive industry”. Die chinesischen Hersteller hätten entlang der Wertschöpfungskette – vom Rohstoffeinsatz über Batterien bis zur Produktion – fast überall Wettbewerbsvorteile. EU-Importe aus China nähmen deshalb bis zum Jahr 2023 auf 1,5 Millionen Autos zu. Gleichzeitig gingen Umsatz- und Absatzzahlen der europäischen Hersteller zurück. Die Pkw-Produktion in Europa von derzeit 4,4 Millionen würde auf 2,7 Millionen Stück im Jahr 2030 sinken. Angesichts dieses möglichen Niedergangs der europäischen Autoindustrie spukt dem einen oder anderen Politiker – zum Beispiel Emmanuel Macron – durch den Kopf, chinesische Autoimporte zu erschweren. Erinnerungen an die 80er Jahre kommen hoch. Damals fürchtete man in Europa und den USA eine Flut japanischer Autos. Deshalb schlossen die EU (die damals noch EG hieß) und die USA mit den Japanern sogenannte Selbstbeschränkungsabkommen. Managed Trade nannte man das damals. Doch für diesen Fall haben die chinesischen Hersteller schon vorgesorgt: Sie verlagern die Produktion nach Europa. So heißt es im UBS-Report laut “Forbes”: „Chinese EV makers are likely to establish local operations in Western markets over the coming years, to be better positioned for potential political pushbacks.” Bei BYD sind die Pläne schon konkret. Stella Li, Vice President bei BYD, hat in mehreren Interviews – zuletzt mit der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ – verraten, dass BYD ein oder gar zwei Werke in Europa plane. Mögliche Standorte seien Frankreich, Spanien und Deutschland.

Info:

Die Studie von Allianz Research kann man hier downloaden:

https://www.allianz.com/content/dam/onemarketing/azcom/Allianz_com/economic-research/publications/specials/en/2023/may/2023-05-09-Automobile.pdf

No Comments Yet

Comments are closed