China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Hans Joachim Fuchs (69).
1998 war Hans Joachim Fuchs zum ersten Mal in China – in Hongkong und Shanghai. Damals war er als Berater von Deloitte dort. „Dieser Besuch hat mich angemacht. Ich war berauscht von der Vielfalt und Dynamik, die dort herrschte“, sagt er. Und heute? „Ich bin nüchterner geworden.“ Nicht, dass Fuchs zum China-Basher mutiert wäre, aber er sei nun mal durch die Praxis abgeklärt worden und viel realistischer als damals in der ersten Phase der Euphorie. Damals quittierte der studierte Elektroingenieur und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler seinen Dienst bei Deloitte und machte sich 2000 als China-Berater selbstständig. 2004 gründete er dann in München sein Unternehmen Chinabrand Consulting. Als Herausgeber des 2006 erschienen Buches „Piraten, Fälscher und Kopierer“ wurde er breit bekannt. Der Untertitel lautet „Strategien und Instrumente zum Schutz geistigen Eigentums in der Volksrepublik China“. Genau das war die Geschäftsidee seines Unternehmens Chinabrand: Deutschen Unternehmen bei ihrem Kampf gegen Produktpiraterie und andere Verletzungen der geistigen Eigentumsrechte (Englisch: Intellectual Property Rights/IPR) zu helfen. Fuchs kam mit seinem Beratungsunternehmen Chinabrand just zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Damals waren die wilden Zeiten der Aufbruchstimmung in China. Es wurde munter kopiert. Viele Unternehmen mussten sich wehren. Das Team von Chinabrand half ihnen dabei, auch in schwierigen Fällen. Fuchs: „Wir haben in China viele Präzedenzfälle geschaffen, die durch die Medien gingen.“ Schnell sprach sich herum: Wenn du in China ein schwieriges IPR-Problem hast, dann ist der Blütenanger 55 in München eine gute Adresse. Die Referenzliste von Chinabrand ist lang: Sie reicht von Audi über Fischer und Kärcher bis zu Wilo. „Wir haben viele langfristige Bestandsmandate, einige seit 17 Jahren“, sagt Fuchs. Inzwischen sind die Wildwest-Jahre vorbei. Auch die Rechtsprechung in China habe sich radikal verändert: „Heute haben sie in China in Sachen IPR eine fast vorbildliche Gesetzgebung.“ Auch die KI (Künstliche Intelligenz) habe schon Einzug in die Gerichtssäle gehalten. In einfachen Standardfällen würden gar Avatare als Richter auftreten. In seinem Unternehmen spielen die IPR-Fälle aber nicht mehr die einzige Rolle. „Seit 3 bis 4 Jahren sind Cybersicherheit und Datenschutz die großen Themen für deutsche Unternehmen in China“, sagt Fuchs. Dort sei inzwischen der größte Beratungsbedarf. „Aufträge haben wir genug“, sagt er – und hat trotzdem ein Problem, nämlich ein Personalproblem. Er findet nur schwer die erwünschten Experten, die sich an der Schnittstelle zwischen Recht und Technik auskennen oder sich dort einarbeiten wollen. 8-12 Mitarbeiter gehören zum Stamm seiner Beratung in München. Dazu kommen rund 20 feste freie Anwälte und anderes Personal, plus rund 100 IT-Experten als Freelancer in China. Viele Fälle wurden in den vergangenen drei Corona-Jahren per Zoom oder Teams bearbeitet. Jetzt beginnt aber wieder die intensive Reisetätigkeit seiner Berater. Auch Fuchs („ich bin ein leidenschaftlicher Fan des scharfen Sichuan-Essens“) will bald wieder nach China, zumal er vor Corona 4-6 Mal im Jahr dort war. Ansonsten hält er sich bei der polarisierenden China-Diskussion hierzulande zurück. Vorträge hält er kaum noch. Es werde eh schon zu viel geredet und geschrieben von meist jungen Leuten, die viel zu wenig Praxiserfahrung in China hätten. Er konzentriere sich lieber auf sein Geschäft. Das könnte sich demnächst um weitere asiatische Länder erweitern. Sein Sohn, der übrigens auch in der Unternehmensberatung arbeitet, habe ein Faible für Indien und einen deutsch-indischen Doppelmaster. Das erste China-Indien-Projekt ist bei Chinabrand bereits in Arbeit.
Info:
Hier die Homepage von Chinabrand Consulting: https://www.chinabrand.de/de/