HU IS HU? Katja Levy – nach Norwegen emigrierte Sinologie-Professorin

Es gibt emeritierte Professoren, und es gibt emigrierte Professoren. Zu den Letzteren gehört Katja Levy. Ich treffe die Sinologin und Politikwissenschaftlerin per Zoom in ihrem neuen Büro auf dem Campus der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim an. Sie erzählt mir, wie und warum sie im hohen Norden gelandet ist. Zunächst hatte sie gar nicht vor, nach ihrem Studium der Sinologie, des Öffentlichen Rechts und Internationaler Beziehungen in Münster, Tübingen, Shanghai und Hamburg die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Sie arbeitete erst einmal in der Wirtschaft (vier Jahre bei Siemens in Shanghai), dann in der Politik (fünf Jahre im Büro der kürzlich verstorbenen Grünen-Politikerin Antje Vollmer). 2005 schied Vollmer aus dem Bundestag aus. Levy verabschiedete sich ebenfalls aus der Politik und gelangte in die wissenschaftliche (Um-)Laufbahn. Sie promovierte am renommierten Otto-Suhr-Institut der FU Berlin und begab sich schließlich doch auf den typisch beschwerlichen Pfad einer Wissenschaftlerkarriere in Deutschland: diverse befristete Mitarbeiterstellen, schließlich eine Juniorprofessur in Bochum. Levy, die dann von der RUB an die FU Berlin wechselte, sagt: „Die Hoffnung war natürlich da, eine der wenigen unbefristeten Stellen zu bekommen.“ Aber man müsse halt auch Glück haben, dass man zum richtigen Zeitpunkt mit seinem Profil auf die ausgeschriebene Stelle passe. Sie hatte das Glück nicht und nimmt es nüchtern-fatalistisch: „Es gibt halt in Deutschland zu wenig Professorenstellen für die vielen Bewerber.“ So musste sie sich 2019 nach Ende der Junior-Professorenzeit wieder auf Jobsuche begeben. Sie verdingte sich erst als freie Lehrkraft an der TU Berlin – „Leben kann man davon nicht, aber das Team am CCST ist super.“ (Levy). Ein glücklicher Zufall wollte es, dass an der University of Manchester eine Forschungsstelle zum Thema „Charity in China“ ausgeschrieben wurde. Levy hatte zu dem Thema schon zwei Bücher veröffentlicht. Das passte endlich mal richtig gut. Diese Stelle war auf zwei Jahre befristet. Die Jobsuche lief also parallel gleich weiter. In einem der einschlägigen Online-Portale entdeckte sie im Frühjahr 2022 eine Ausschreibung für eine Professorenstelle an der NTNU in Trondheim, mit knapp 45 000 Studenten ist das Norwegens größte Universität. Dort war sie noch nie, aber sie bewarb sich und wunderte sich gleich zu Beginn über den transparenten Bewerbungsprozess. Die Unterlagen aller Bewerber gehen an externe Gutachter. Diese erstellen dann ein erstes Ranking, das die Bewerber einsehen konnten. „Da war ich nicht ganz oben“, sagt Levy. Doch beim Bewerbungsgespräch, das am 1. April online stattfand, muss sie wohl gepunktet haben. An einem Mai-Wochenende flog sie zum ersten Mal nach Trondheim. „Es war kalt und regnerisch“, sagt sie, „aber der Fjord hat mich überzeugt.“ Im Juni kam die Zusage der NTNU, im Oktober fing sie als Associate Professor für Political Science an mit dem Schwerpunkt „Comparative Politics and International Relations of China and East Asia“. Was ist anders an einer norwegischen Uni? frage ich sie. Katja Levy antwortet: „Norweger können Angeber nicht ausstehen. Man ist hier bescheiden und macht einfach einen guten Job.“ Außerdem sei die Uni interdisziplinärer organisiert: „Es gibt hier viele Querstrukturen. Jeder arbeitet in mindestens einer Forschungsgruppe mit Kollegen aus anderen Bereichen zusammen.“ Ihr Lehrdeputat ist geringer als in Deutschland. Noch unterrichtet sie in Englisch. „Ich habe aber unterschrieben, dass ich in zwei bis drei Jahren Norwegisch lerne.“ Lesen gehe schon ganz gut, sagt sie. Eine von ganz wenigen Chinaexpertinnen in einer kleinen Stadt zu sein, hat auch Vorteile. Die Studentenvereinigung (Studentersamfundet) hat sie im Winter gleich zu einem Couchgespräch mit Studierenden eingeladen. Gerade hat sie einen Artikel in der Trondheimer Zeitung „Adresseavisen“ über China veröffentlicht. Wie diskutiert man China in Norwegen? „Es gibt große Skepsis“, sagt sie. Die Beziehungen waren sehr angespannt, nachdem der Friedensnobelpreis 2010 in Oslo an den Regimekritiker Liu Xiaobo verliehen wurde. Die Lachsexporte waren eingefroren. Und als sie wieder zugelassen wurden, bezichtigte man sie von chinesischer Seite der Übertragung von Corona-Viren. Aber, schränkt Levy ein, die Menschenrechtsdebatte ist hier nicht so dominant wie in Dänemark und Schweden. Für die Politikwissenschaftlerin ist es sehr spannend zu beobachten, wie sich Norwegen als sehr kleines, aber reiches Land gegenüber China positioniert und was Europa davon lernen kann. Allerletzte Frage abseits der großen Politik: Wie war der erste dunkle kalte Winter in Mittelnorwegen? „Die Dunkelheit hat mich nicht so betroffen, ich war ja viel im Büro und habe gearbeitet.“ Aber der Winter sei schon gewöhnungsbedürftig, vor allem „das unfassbare Glatteis“. Man gewinne dadurch wieder Respekt vor der Natur. Aber jetzt schaut sie aus dem Fenster und strahlt: „Der Frühling hier ist bombastisch.“

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