OLD CHINA HAND I Wulf Noll, Dozent und Schriftsteller

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old  China Hand vorgestellt: Wulf Noll (78).

Er war schon 65 Jahre alt und damit formal reif für die Rente. Aber was tat Wulf Noll? Er bewarb sich um eine neue Stelle. Nicht irgendwo, sondern ganz gezielt in China. Shanghai oder Ningbo? Er wählte Ningbo, die Hafenstadt südlich von Shanghai.

Warum dieses späte Interesse an China? „Ich habe lange Zeit in Japan gelebt und gearbeitet und dort begriffen, dass der chinesische Einfluss in der Vergangenheit sehr stark war und die japanische Kultur mitgeprägt hat.“ Noll, der in den wilden 70er-Jahren an der FU Berlin Germanistik und Philosophie studiert hatte, war zweimal als Dozent für deutschen Sprache und Literatur in Japan. Erst in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre an der Universität Tsukuba und dann in den 90er-Jahren an der Universität Okayama. Dazwischen und danach war er immer wieder in Düsseldorf, wo er mit seiner japanischen Frau Mutsumi Aoki, einer Künstlerin, lebt. Der einst über Peter Sloterdjik promovierte Noll unterrichtete dort und in seinen letzten (deutschen) Berufsjahren als Integrationslehrer sogenannte Kontingentflüchtlinge aus den ehemaligen GUS-Staaten.

2009 war damit Schluss, weil er 65 Jahre alt wurde. Doch er wollte nach Japan unbedingt noch China kennenlernen. „Der Konfuzianismus, die Sprache, die höfische Kultur, der Buddhismus – alles kam aus China nach Japan“, sagt Noll, „das motivierte mich, China mal anzusehen und nach China zu gehen.“ Er bewarb sich über den DAAD in Beijing und bekam eine Stelle in Ningbo. „An der Universität Ningbo gab es mit Chen Wei einen unglaublich engagierten Dozent für die deutsche Sprache und Literatur.“ Er traf dort auf junge Leute, die – so Noll – hochmotiviert, bildungshungrig, selbstbewusst und vor allem kommunikativ waren. „Besonders erfreulich war, dass mich die jungen Leute in ihr Leben miteinbezogen, nicht bloß auf dem Campus, sondern auf gemeinsamen Reisen und mittels Homestays.“ Zwei Jahre war er in Ningbo. 2017 folgte dann nochmals ein beruflicher Aufenthalt in China. In Qingdao war er an der Ocean University „Poet in Residence“. Davor und danach immer wieder Reisen nach und in China. Er war im Süden in Yunnan an der Grenze zu Myanmar und Laos, im Norden in der Inneren Mongolei an der Grenze zur Mongolei. 

Noll lernte ein anderes China kennen als dasjenige, das man hier aus den Medien kennt. „Jeder hier mäkelt an China herum“, sagt er. Man sehe gar nicht die Fortschritte, die das Land zum Beispiel im Bildungssystem oder in der Emanzipation, gerade auch der Frauen, gemacht habe. Er betrachtet die zunehmenden politischen Spannungen vor allem vom Westen gemacht. „Aber das will hier niemand hören“, sagt er. Er denkt und tickt da ähnlich wie die alten Sinologen Karl-Heinz Pohl (Trier), Wolfgang Kubin (Bonn) und Thomas Heberer (Duisburg), mit denen er befreundet ist.

Seine chinesischen Erfahrungen der vergangenen Jahre verarbeitete er in einer Trilogie. Eine solche war nicht von Anfang an geplant: „Ich habe mich nicht hingesetzt und gesagt: Ich schreibe jetzt eine Trilogie.“ Das hat sich einfach so ergeben. Er habe zwar immer gerne geschrieben: „Aber je älter ich werde, desto mehr schreibe ich.“ Er habe sofort in China mit dem Schreiben angefangen. Sein erstes Buch heißt „Schöne Wolken treffen“. Schöne Wolken war der Vorname einer Studentin damals in Ningbo. Dieses Buch habe nur ein Jahr seiner China-Erlebnisse abgedeckt. „Ich hatte sofort Stoff für einen zweiten Roman“, sagt Noll. Der hieß dann „Drachenrausch“. Sein drittes Buch „Mit dem Drachen tanzen“ verarbeitete darin unter anderem die vielen Besuche aus China, die in Düsseldorf aufschlugen. Überhaupt sein Düsseldorf: „Das war früher mal Japan Town“, sagt er, „jetzt ist es mit seinen vielen chinesischen Firmen auch China Town“. Die ideale Stadt für jemand, der beide Länder lieben und schätzen gelernt hat.

Info:

Wenn im Juni der erste Band „Schöne Wolken treffen“ in einer Neuauflage herauskommt, sind damit alle Bücher der China-Trilogie von Wulf Noll im österreichischen Bacopa Verlag erschienen. Sie kosten jeweils 29 Euro und haben einen Umfang zwischen 360 und 400 Seiten. Mehr dazu: www.bacopa-verlag.at

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