Chinas Führung hat das Völkerrecht entdeckt. Sie strebe danach, ein globaler Akteur bei Völkerrechtsfragen zu werden und internationale Regeln neu zu definieren, schreibt Moritz Rudolf, derzeit an der Yale University, in einem Beitrag für den Thinktank „Democratic Futures“.
Seit 2014 befinde sich Beijing im Modus des Kapazitätsaufbaus im Bereich des Völkerrechts. Innerhalb der UN werde die VR China immer aktiver, um Rechtsbegriffe zu definieren bzw. umzuinterpretieren. Außerdem agiere die VR China viel lautstarker im UN-System als früher, als sie traditionell im Rechtsausschuss der UN kaum eine Rolle spielte. Rudolf sieht fünf Prioritätsbereiche der chinesischen Führung.
Erstens, den Aufbau von Völkerrechtsexpertise. Zweitens, den Fokus auf „Rechtsstaatlichkeit mit Auslandsbezug“. Beijing will damit das eigene Rechtssystem stärken, um natürliche und juristische Personen aus China vor ausländischen Sanktionen besser zu schützen. Analog zu den USA sollen auch mehr Gesetze mit extraterritorialer Wirkung formuliert werden. Drittens möchte die VR China auch internationale Regeln setzen. Viertens soll der Ausbau internationaler justizieller Zusammenarbeit insbesondere von Strafverfolgungsbehörden forciert werden. Fünftens soll der Aufbau moderner internationaler Streitschlichtungsmechanismen erarbeitet werden. Wie müssen Deutschland und Europa auf dieses auch in internationalen Rechtsfragen selbstbewusstere China reagieren? Rudolfs Handlungsempfehlung lautet: „Politische Entscheidungsträger*innen in Deutschland und Europa müssen damit rechnen (und sich darauf vorbereiten), dass sie es mit noch besser ausgebildeten chinesischen Diplomaten und Völkerrechtlern, bei komplexen Verhandlungen zu tun bekommen. Vertiefte Kenntnisse der chinesischen Position sind unabdingbar für zukünftige Verhandlungen. Um mehr Verständnis zu erlangen, sollte ein technischer Austausch zu Völkerrechtsthemen mit China frühzeitig von Berlin und Brüssel vorangetrieben werden.“
Info:
Den Beitrag „Xi Jinpings Rechtsstaatlichkeitskonzept und das Ziel der Neudefinition internationaler Regeln“ von Moritz Rudolf gibt es hier: https://www.democraticfutures.de/policy-paper-moritz-rudolf