MEDIEN I Korrespondenten: Verfolgt und vertrieben

Auch das vergangene Jahr war für ausländische Korrespondenten in China mal wieder sehr problembeladen. Es war „by far the most difficult year“, urteilt Jonathan Cheng, Büroleiter des “Wall Street Journal”.  Dieses Zitat steht in der aktuellen Publikation des Foreign Correspondents´ Club of China (FCCC) mit dem Titel „Zero Covid, many controls: Covering China in 2022”. Sie basiert auf einer Umfrage des Clubs in den Monaten Dezember und Januar. 102 der 166 Mitglieder antworteten – meistens anonym. Als „a major bottleneck“ stuften sie die Visavergabe ein. 38 Prozent der Befragten gaben an, ihre Büros seien unterbesetzt, weil sie viele Stellen wegen nicht erteilter Visa nicht besetzen könnten. Besonders betroffen sind amerikanische Medien. Europäische, aber auch koreanische und japanische Medien erfahren offenbar eine bessere Behandlung in der Visafrage. Immerhin haben die Korrespondenten, die bereits vor Ort sind, weniger Schwierigkeiten mit der Bürokratie. 77 Prozent sagten, sie hätten kein Problem bei der Erneuerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung gehabt. 81 Prozent erklärten gar, sie hätten ihre neuen „press cards“ innerhalb von sieben Tagen bekommen. Groß sind die Probleme bei der täglichen Arbeit der Korrespondenten. 56 Prozent berichten von Behinderungen durch die Polizei oder andere Behörden. 31 Prozent mussten Reisen oder Interviews aufgrund behördlichen Drucks abbrechen. 57 Prozent der Befragten fühlten sich physisch von der Polizei verfolgt. Ein sehr großes Problem ist inzwischen die Weigerung vieler Chinesen, sich mit ausländischen Journalisten zu treffen und zu reden. 78 Prozent der Befragten bekamen von angefragten Interviewpartnern zu hören, dass ihnen nicht erlaubt sei mit ausländischen Medien zu reden oder sie müssten vorher um Erlaubnis fragen. Interessant ist, dass das Außenministerium den Beschwerden der Korrespondenten offener gegenüberstehe und manchmal sogar helfend interveniere. Doch ist der negative Einfluss des Public Security Bureau (PSB) und des Ministry of State Security (MSS) nach wie vor größer. Unter diesen schwierigen Umständen ziehen einige Korrespondenten es vor, China zu verlassen. Vor allem angelsächsische Medien ergriffen die Flucht. Früher war Hongkong eine Alternative. Aber nachdem auch dort die Arbeitsbedingungen für Journalisten nicht mehr die besten sind, sind viele nach Taipei geflohen, in die Hauptstadt Taiwans. Dort ist William Yang (ehrenamtlicher) Präsident des Taiwan Foreign Correspondents´ Club. „Vor ein paar Jahren hatten wir bei uns vielleicht fünf oder sechs internationale Journalisten, jetzt sind es mindestens zehnmal so viele“, sagte er gegenüber Swissinfo. Einer von ihnen ist Sebastian Stryhn Kjeldtoft von der dänischen Zeitung Politiken. Swissinfo zitiert ihn folgendermaßen: „Wir haben viele mögliche Standorte in Betracht gezogen, bevor wir uns entschieden haben, unser Regionalbüro hier in Taipei aufzubauen. Eigentlich wollten wir nach Beijing zurückkehren, aber die chinesische Botschaft in Kopenhagen hat uns davon abgeraten.“ Darin zeigt sich die Schizophrenie der chinesischen Medienpolitik. Einerseits beschwert sich die Führung über die einseitige Berichterstattung vor allem in den westlichen Medien, erschwert aber die Arbeitsbedingungen der Korrespondenten vor Ort und vertreibt sie im schlimmsten Falle – und dann auch noch nach Taiwan, wo sie sicher nicht freundlicher über die Volksrepublik schreiben werden.

Info:

Die Publikation „Zero Covid, many controls“ kann man hier herunterladen:

https://fccchina.org/2023/03/01/media-freedoms-report-2022-zero-covid-many-controls-covering-china-in-2022/

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