WER MACHT WAS? Borussia Dortmunds China-Aktivitäten

34 Fußballplätze in sattem Grün reihen sich aneinander. In der Nähe rauscht das Meer. Die Temperaturen sind jetzt im Februar nahezu frühlingshaft mild. In diesem angenehmen Ambiente hat der Bundesligist Borussia Dortmund gerade ein ambitiöses Programm gestartet: Eine BVB International Academy in China. In der Hafenstadt Xiamen in der Provinz Fujian, die direkt gegenüber Taiwan liegt, will der Verein Hunderte von chinesischen Jugendlichen an den Fußball heranführen. Es ist ein ehrgeiziges Mammut-Projekt, an dem sich schon andere große europäische Vereine in China versuchten. Der FC Barcelona zum Beispiel auf der Insel Hainan oder Real Madrid in Guangzhou. So richtig erfolgreich waren beide nicht mit ihren pompösen Akademien.

Warum soll es dem BVB gelingen? „Weil wir dieses Engagement nicht unter kurzfristigen Marketing-Gesichtspunkten sehen“, sagt Benjamin Wahl (41), „sondern als ein langfristiges Projekt.“ Wahl ist Leiter des BVB-Büros in Shanghai, das 2017 etabliert wurde und seitdem von Wahl geführt wird. Zehn Personen arbeiten dort, fünf Chinesen, fünf Expats, darunter drei Trainer. Das China-Engagement des BVB ruht auf drei Säulen, erläutert Wahl. In den englischen Termini sind das: Fans & Digital, Business Development & Sales sowie Sport & Youth Football Development. 80 Millionen Chinesen kennen den BVB nach Angaben der Nielsen Marktforschung. Viele davon sind Fans. Sie werden über die sozialen Netzwerke wie Weibo oder WeChat bespielt, aber auch live. „Wir müssen vor Ort sein, um Fan-Events zu organisieren“, sagt Wahl. Der zweite Bereich ist das klassische Sportmarketing, also unter anderem die Vergabe von Logo-Rechten an Unternehmen aller Art. So prangt das schwarz-gelbe BVB-Logo inzwischen auf vielen chinesischen Produkten – von Bier bis Fitnessriegel. Die dritte Säule ist für die BVB-Verantwortlichen von besonderer Bedeutung, denn sie basiert auf dem Kernprodukt Fußball: die Vermittlung von Fußball-Know-How an chinesische Jugendliche. Wahl sagt: „Der deutsche Fußball ist bekannt, dass er sehr viel in den Jugendfußball investiert.“ Und dann macht er etwas Werbung in eigener Sache: „Der BVB ist da mit an der Spitze in Deutschland.“ In China dagegen ist der Jugendfußball nur rudimentär vorhanden. „Es fehlt der Unterbau“, sagt Wahl, „es gibt wenig Vereine, fast keine Ligen.“  Dieser strukturelle Nachteil ist auch ein Grund, warum der chinesische Fußball international so schwach ist, sehr zum Leidwesen der vielen, vielen Fußballfans im Lande. „Natürlich können wir dieses Problem nicht lösen, aber wir wollen mit unseren Aktivitäten einen kleinen Beitrag dazu leisten“, sagt Wahl.

Schon länger betreibt der BVB sogenannte Grassroots-Aktivitäten in China, kooperiert beispielsweise mit Schulen. Doch das Projekt in der Fünf-Millionen-Stadt Xiamen hat eine völlig neue Dimension. Wie es dazu kam? Wahl: „Wir haben einen sehr ambitionierten Geschäftsmann in Xiamen kennengelernt“. Der hatte dort ein Golf Resort gebaut. Doch dann kam der Golfsport wegen seines elitären Gehabes an höchster Stelle in Verruf und der Besitzer entschied, den grünen Rasen statt für schlägerschwingende Senioren für fußballspielende Junioren freizugeben. Dazu brauchte er allerdings einen Partner. Er sprach offenbar mit vielen (europäischen) Vereinen, den Zuschlag bekam schließlich der BVB. Warum? Siehe oben. Für die Dortmunder ist das bereits die fünfte Youth Academy weltweit, aber mit weitem Abstand die größte. Die 34 Plätze in Xiamen, zu denen weitere zehn kommen sollen, gilt als das größte Fußballgelände der Welt. Vier Trainer aus Dortmund werden sich permanent dort aufhalten. Auf 2000 Jugendliche (ab 12 Jahren) sei die Anlage angelegt, sagt Wahl: „Im Juni starten wir aber erstmal mit 300 bis 500 Jugendlichen“. Ganz wichtig für ihn ist, dass die jungen Spieler parallel zum Training eine gute Schulausbildung bekommen. „Wir sind mit den lokalen Schulen in engem Kontakt“, sagt Wahl. Eine hat soeben direkt neben dem Sportgelände eine „Filiale“ eröffnet. Die gigantische Anlage soll auch eine Stätte der Begegnung und des Austausches werden. Noch für dieses Jahr wird ein großes internationales Turnier geplant. Außerdem sollen sich die jungen Fußballer auch gegenseitig besuchen. „Wir wollen zweimal im Jahr nach Dortmund reisen“, kündigte Wahl an. Das trage auch zur Verständigung bei. Denn dann würden die jungen Chinesen sehen, dass im Westen nicht nur der böse Feind sitze.

Und umgekehrt würden die jungen Europäer sehen, wie faszinierend, aufregend und fröhlich das Land, die Kultur und die Menschen in China seien – ein Blick über den Fußballplatz hinaus, der sich mehr als lohnt.

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