POLITIK I Zwei Präsidenten, zwei Reden, ein Thema: Systemwettbewerb

Der Dienstag vergangener Woche war ein denkwürdiger Tag. An jenem 7. Februar hielten – Zufall oder nicht – die Präsidenten beider Weltmächte eine grundsätzliche Rede. Joe Biden kam zur traditionellen State-of-the-Union-Rede, die jeder Präsident einmal im Jahr – meist im Januar oder Februar – hält, in den Congress und stellte die Leitlinien seiner Politik vor. 73 Minuten lang redete Biden. Lange Zeit bestimmten innenpolitische Themen seine Rede. Erst spät – so gegen Minute 60 – wechselte er ins außenpolitische Fach. Erst war Russand dran, dann China. Sein erster Satz über China: „Before I came to office, the story was about how the People´s Republic of China was increasing its power and America was falling in the world. Not anymore.” Biden zeigte sich sehr selbstbewußt: “Today we´re in the strongest position in decades to compete with China or anywhere in the world.“ Immer wieder fällt das Wort competition: “I´ve made clear with President Xi that we seek competition, not conflict.” Dabei sei das Ziel klar: “Winning the competition with China should unite all of us”. Danach kommt er zum Systemwettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien: In den letzten beiden Jahren seien die Demokratien stärker, nicht schwächer geworden. Umgekehrt seien die Autokratien schwächer geworden, nicht stärker. Kurze Zeit später wich er von seinem Redemanuskript ab und sagte: „Name me a world leader who´d change places with Xi Jinping. Name me one, Name me one.“ Das Publikum jubelte und schrie: USA, USA, USA.

Dieser attackierte Xi Jinping hielt ein paar Stunden zuvor hielt in Beijing die Eröffnungsrede beim Seminar zum Studium und zur Implementierung des Geistes des 20. Parteitages. Sie wurde nicht wie bei Biden zur besten Sendezeit live im Fernsehen übertragen, aber sie war in der CCTV-Nachrichtensendung am Abend die ersten 16 Minuten lang die Top News. Anwesend waren bei seiner Rede in der Zentralen Parteischule das neue Zentralkomitee und viele Regierungsvertreter der Zentrale und Provinzen. Es war eine seiner ersten großen Reden nach eben diesem Parteitag im Oktober. Und es war eine sehr grundsätzliche, in der er sich sehr deutlich zum Systemkonflikt äußerte und positionierte. China habe die These widerlegt, dass Modernisisierung nur im westlichen Modell gelinge: „China´s path showed a new modernisation model, different from the West.“ Er pries das chinesische Modell als Vorbild für die Entwicklungsländer, die diesem folgen sollten. Auch Xi zeigte sich wie Biden sehr selbstbewußt: „We have completed in decades the industrialisation process that had taken the developed Western countries hundreds of years.” China habe eine “brand new form of human civilisation” kreiert. Und Xi weiter: “Practice has proven that Chinese-style modernisation is feasible and stable, and it is the only correct path for building a strong country and rejuvenating the nation.” So deutlich habe Xi noch nie über den Systemwettbewerb gesprochen, kommentiert Bill Bishp (Sinocism): „Xi´s speech is as clear a declaration of a systems competition with the West and capitalism as I am remember.”

Fragen bleiben: Waren das jetzt „nur“ Fensterreden für das heimische Volk? Oder der Beginn einer ideologischen Auseinandersetzung um das richtige Modell? Wenn letzteres zuträfe, wären wir in der Tat mitten im zweiten Kalten Krieg.

Info:

Das vorab verteilte Redemanuskript der State-of-the-Union-Rede von Joe Biden: https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2023/02/07/remarks-of-president-joe-biden-state-of-the-union-address-as-prepared-for-delivery/

Und hier die gehaltene Rede von Joe Biden in Worten: https://www.whitehouse.gov/state-of-the-union-2023/

Und in Bild: https://www.youtube.com/watch?v=gzcBTUvVp7M

Auszüge aus der Rede von Xi Jinping bei Xinhua: http://en.youth.cn/RightNow/202302/t20230208_14306562.htm

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