WIRTSCHAFT I Die Tech-Konzerne sind zurück

Im Dezember besuchte Yi Lianhong, Parteichef der Boom-Provinz Zhejiang, den großzügigen und modernen Campus des E-Commerce-Giganten Alibaba in Hangzhou, der Hauptstadt Zheijangs. Während der Stippvisite fand er lobende Worte für Alibaba. Anfang Januar unterschrieb gar der Parteichef von Hangzhou, Liu Jie, ein Abkommen mit Alibaba und schwärmte gar überschwänglich: „This is a brilliant chapter of symbiosis and common prosperity“.  

Was ist da passiert? War nicht in den zwei Jahren zuvor Alibaba Attacken der Partei ausgesetzt und dessen Gründer Jack Ma nicht gar der böse Bube? War nicht Mas berühmte aufmüpfige Shanghaier Rede im November 2020 der Ausgangspunkt für eine bis dato nie dagewesene regulatorische Hatz der Behörden auf Chinas Tech-Konzerne – von Alibaba über ByteDance und Didi bis Tencent?

Deshalb nochmals die Frage: Was ist passiert? Viel – und zwar auf beiden Seiten. Die gescholtenen Konzerne haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben ihre internen Strukturen angepasst, versuchten Datenmissbrauch zu unterbinden und sich von monopolistischen Ansprüchen zu verabschieden. Es war ein schmerzhafter Anpassungsprozess: Sie haben Milliarden an Marktwert verloren, und sie mussten Leute entlassen. Außerdem haben ihre meist charismatischen Chefs sich in der Öffentlichkeit zurückgehalten. Zhang Yiming, der Gründer von ByteDance (TikTok) sprach öffentlich kein Wort. Wang Xing (Meituan) verschickte 2022 keinen einzigen Post in den Social Media. Pony Ma (Tencent) war schon vorher öffentlichkeitsscheu. Und auch der very outspoken Jack Ma verstummte. Nur sporadisch tauchten Gerüchte auf, wo er sich aufhalten könnte: Hongkong, Spanien, Niederlande und Thailand. Als Jack Ma schließlich Anfang Januar ankündigte, seine Stimmrechte an Ant Financial – dem Finanzarm von Alibaba – deutlich zu reduzieren, waren auch Partei und Regierung zufrieden.

Beide mussten schließlich einsehen, dass Konzerne wie Alibaba und Tencent für das moderne, das innovative China stehen. Schon nach der Central Economic Working Conference Mitte Dezember fielen überraschend freundliche Töne gegenüber den Tech-Konzernen. Sie seien für das Wachstum im Lande wichtig und sie würden Jobs schaffen. Am 8. Januar verkündete dann Guo Shuqing, Vorsitzender der China Banking and Insurance Regulatory Commission (CBIRC), gegenüber Xinhua, dass die „special rectification“ von 14 großen Tech-Unternehmen beendet sei. Ab jetzt würden sie nur noch unter „normalized supervision“ stehen.

Parallel zu diesen Ankündigungen erfolgten konkrete Schritte für die Unternehmen:

  • Ende Dezember genehmigte die National Press and Publication Administration 84 neue Spiele aus China und 44 aus dem Ausland. Zuvor hatte es lange keine Genehmigungen mehr gegeben. Jetzt darf Tencent zum Beispiel Pokémon Unite zeigen. Gerade Tencent ist extrem auf den Spielesektor angewiesen, kommen doch mehr als die Hälfte der Erlöse aus diesem Bereich.
  • Am 16. Januar gab das Cyber Security Review Office dem Marktführer bei Mitfahrdiensten, Didi Chuxing grünes Licht, endlich wieder neue User registrieren zu dürfen.

Angela Zhang (Jura-Professorin an der University of Hong Kong) kommentierte in der „South China Morning Post“: We are now seeing a mobilisation of bureaucratic efforts to revive the Chinese tech sector from various fronts.” Die große, übergeordnete Frage ist, ob diese Erleichterungen für die Tech-Branche, die ja fast ausschließlich privatwirtschaftlich organisiert ist, auch ein Signal ist für andere Bereiche der Privatwirtschaft. Zwei wichtige – allerdings nach dem NVK im März ausscheidende – Politiker haben die positive Bedeutung des privaten Sektors für Chinas Wirtschaft hervorgehoben. So Ministerpräsident Li Keqiang am 16. Januar bei einem Besuch und einem Symposium der State Administration for Market Regulation (SAMR) und Vizepremier Liu He auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort widersprach er zunächst denen, die China auf dem Weg in eine Planwirtschaft sehen: „That´s by no means possible“. Und dann kündigte er an: „We will support the private sector, and promote fair competition, anti-monopoly and entrepreneurship.”

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie ernst das gemeint war.

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