POLITIK I China-Kompetenz – ein Plädoyer von Marina Rudyak

Marina Rudyak, Sinologin an der Uni Heidelberg, hat einen interessanten und konstruktiven Beitrag zur China-Kompetenz hierzulande verfasst, der auf erschreckende Defizite hinweist, aber gleichzeitig auch Auswege aus der Misere zeigt.  Der Artikel ist eher unterhalb des Radars auf der Online-Plattform 49security erschienen, weshalb ich ihn hier nochmals etwas ausführlicher vorstellen möchte. Titel: „Effektive Chinapolitik braucht mehr strategische Empathie und mehr Chinakompetenz“.  Strategische Empathie? Dies ist ein Begriff des Historikers Zachary Shore und meint die Fähigkeit, sich in das Denken seines Gegners hineinzuversetzen und zu erkennen, was ihn antreibt. „Wer Chinas Strategien unter Xi Jinping verstehen will, muss lesen, was die Partei sagt und es ernst nehmen“, schreibt Rudyak. Dazu brauche man aber China-Expert:innen, die die Parteidebatten lesen, übersetzen und dekodieren können. Diese seien aber in der Bundesregierung mit Ausnahme des Auswärtigen Amtes kaum vorhanden. Im wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gebe es keine China-Expertise und im Sprachendienst des Parlaments keine Kapazitäten. Und es geht weiter mit den Defiziten: „Neben der fehlenden Übersetzungs- und Dekodierungskompetenz fehlt es in Deutschland auch an Top-Dolmetschern.“ Viele seien bereits über 50 Jahre alt und Nachwuchs komme nicht nach, weil es keinen Studiengang für Konferenzdolmetscher Chinesisch-Deutsch gebe. Rudyaks Forderung deshalb: „Die neue Nationale Sicherheitsstrategie und die Chinastrategie der Bundesregierung sollten daher einen Schwerpunkt auf Investitionen in den Ausbau der strategischen Übersetzungs- und Chinaanalysekompetenz legen.“ Dazu macht sie drei Vorschläge:

Bundesregierung und Bundestag sollten Chinakompetenz im eigenen Haus aufbauen, indem sie Stellen für China-Analysten schaffen und Training für Mitarbeiter und Abgeordnete in Kooperation mit Universitäten anbietet.

Die Politik sollte sich enger mit der Chinaforschung vernetzen. Beispiel seien die Niederlande mit dem „China Envoy“.  Auch sollte über Fellowship-Programme nachgedacht werden, bei dem Chinawissenschaftler ein bis zwei Jahre in Bundesbehörden oder im Bundestag arbeiten können.

Außerdem sollte eine gezielte Ausbildung von Chinesisch-Deutsch-Dolmetschern angestrebt werden. Dabei könnte man auch über die Einrichtung einer Bundesakademie nachdenken, an der Sprachen strategisch wichtiger Länder gelernt werden können.

Mit der Umsetzung dieser Vorschläge könnte man den schönen Worten aus dem Koalitionsvertrag Taten folgen lassen – könnte…

Info:

Den Artikel von Martina Rudyak gibt es hier in Original und voller Länge:

https://fourninesecurity.de/2023/01/19/effektive-chinapolitik-braucht-strategische-empathie-braucht-mehr-chinakompetenz

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