OLD CHINA HAND I Markus Wittmann, Leiter Internationales im Bayerischen Wirtschaftsministerium

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Markus Wittmann (60).

Markus Wittmann hatte gerade seine Promotion beendet, da stieß er Anfang der 90er Jahre in der Süddeutschen Zeitung auf eine Anzeige des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. Der Volkswirt, der in München geboren wurde und in Ingolstadt groß geworden ist, bewarb sich und bekam die Stelle. Seitdem ist er – bis auf ein Verbands-Intermezzo – im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Derzeit ist er dort als Ministerialdirigent Leiter der Abteilung 6 mit den Zuständigkeitsbereichen Internationalisierung, Standortpolitik und Invest in Bavaria.

China hat ihn schon früh im Ministerium beschäftigt. Er war Mitte der 90er Jahre schon Asien-Referent und begleitete den damaligen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu auf seinen Reisen nach Fernost. Eine führte 1996 nach China. Erst Beijing, dann in die Provinz Shandong, zu der Bayern eine Partnerschaft aufbaute. In Shandongs Hauptstadt Jinan planten die Bayern, ein Büro zu eröffnen. Wiesheu fragte Wittmann auf besagter Reise, ob er sich den Ortswechsel von München auf die Stelle der Büroleitung in Jinan vorstellen könnte.  „Wir brauchen dort Wirtschaftsleute, wollen Sie das nicht machen?“ Wittmann wollte. So zog er 1997 nach Jinan. Da war man zu der Zeit als Langnase ein Exot. „Wir waren rund 30 Ausländer in der Stadt, die meisten aus Japan und Korea“, erinnert sich Wittmann, „das war damals noch echtes China, an der Ampel standen ein Auto und 500 Fahrräder.“ Er lernte in der Zeit Chinesisch und baute durch „unendlich viele Abendessen und viel Baiju“ jede Menge Kontakte auf, von denen viele bis heute anhalten. Und ihn beeindruckte „die unglaubliche Entwicklungsdynamik“, die damals in China und speziell auch in Shandong herrschte.

2000 ging es zurück nach Deutschland, erstmal für drei Jahre nach Berlin in die Bayerische Landesvertretung, ehe er 2003 wieder ins heimische München wechselte. Dort wurde er Leiter von Invest in Bavaria – der Stabsstelle, die Investoren aus aller Welt nach Bayern holen soll und die direkt dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist. „Da habe ich wieder viel mit China zu tun gehabt“, sagt Wittmann. Bayern gilt für viele chinesische Unternehmen als attraktiver Standort, auch weil es die Heimat bekannter Konzerne wie Audi, BMW oder Siemens ist. Rund 200 chinesische Firmen seien aktuell mit Investments in Bayern vor Ort, sagt Wittmann, darunter der Elektroautobauer Nio, der Online-Konzern Alibaba oder auch Weichai aus Shandong mit einer großen Investition in Aschaffenburg. In viele dieser Ansiedlungen war Invest in Bavaria involviert, zusammen mit den nunmehr drei bayerischen Vertretungen in China – 2018 kam Chengdu in Westchina dazu.

Fünf Jahre lang machte Markus Wittmann diesen Job des Vermittlers zwischen Bayern und ausländischen Investoren. Doch dann tat er 2008 – wie er selber sagt – „einen eher ungewöhnlichen Schritt“. Er verließ das Wirtschaftsministerium und wurde Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes Groß- und Außenhandel, Vertrieb und Dienstleistungen Bayern. Warum? Es gab eine emotionale Erklärung: „Meine beiden Eltern waren beide Einzelhändler“. Und eine eher rationale: „Ich wollte mal etwas völlig anderes machen“. So musste er zum Beispiel plötzlich Tarifverhandlungen führen. „Das waren sehr spannende Zeiten“, resümiert Wittmann heute. Trotzdem verließ er nach fünf Jahren den Handelsverband und ging im Sommer 2013 zurück ins Wirtschaftsministerium. Aber nicht in die Prinzregentenstraße, sondern nach Shenzhen. In der südchinesischen Hightech-Metropole wollte der Freistaat – nach Qingdao, wohin inzwischen das Shandong-Büro verlegt worden war – ein zweites Büro eröffnen. Dieser Job reizte Wittmann, der inzwischen längst mit seiner chinesischen Frau Ming verheiratet war: „Ich bin nur ins Ministerium zurückgegangen, weil ich wieder nach China gehen konnte.“ Wie schon in Jinan konnte er auch in Shenzhen ein Büro von Grund auf aufbauen – und das im wörtlichen Sinne, denn die Räumlichkeiten wurden im Rohbau angemietet. Für Wittmann bedeutete dies viele Begegnungen mit der chinesischen Bürokratie: „Ich verbrachte unzählige Stunden bei Genehmigungsbehörden und Banken.“ Zur Einweihung reiste dann der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer an. „Er war schwer beeindruckt von der Dynamik und der urbanen Modernität der Stadt“, sagt Wittmann, „und er nahm die Erkenntnis mit: Wir müssen hierzulande Gas geben.“ Die Eindrücke aus der boomenden Technologieregion Perlflussdelta – egal ob von Wittmann oder von besuchenden Ministern übermittelt – trugen sicher zum Teil dazu bei, dass sich der Freistaat 2019 dann unter Ministerpräsident Söder eine „High-Tech Agenda Bayern“ verpasste.

Wittmann kam 2017 aus Shenzhen zurück, um im Wirtschaftsministerium die Abteilung Internationales zu übernehmen. Als China-Experte im Ministerium ist sein Rat gefragt – und er wird auch gehört. Er sieht seinen allerobersten Dienstherrn Markus Söder in der Tradition von Franz Josef Strauss, der einst in Zeiten des Kalten Krieges auch mit der anderen Seite – ob in Moskau, Peking oder Ost-Berlin – redete und verhandelte. Im Frühsommer will Söders Stellvertreter, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, erneut mit einer bayerischen Unternehmerdelegation nach China reisen – natürlich mit Markus Wittmann. 

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