HU IS HU? Qin Gang, Chinas neuer Außenminister

Am 1. Januar griff Qin Gang (56) zum Telefon und rief US-Außenminister Tony Blinken an. „I called Blinken to say goodbye“, schrieb er auf seinem Twitter-Account. Der chinesische Botschafter in den USA kehrt nach Beijing zurück. Künftig werden sich die beiden auf Augenhöhe begegnen, denn Gang wird der neue Außenminister der VR China als Nachfolger von Wang Yi (69). Er ist einer der jüngsten chinesischen Außenminister und schon der dritte – nach Li Zhaoxing und Yang Jiechi – der zuvor Botschafter in Washington war.

Der aus Tianjin stammende Qin studierte an Beijing University of International Relations, arbeitete danach kurz im Büro der amerikanischen Nachrichtenagentur UPI, ehe er 1988 ins Außenministerium wechselte. Er spezialisierte sich früh auf Westeuropa, war zweimal in der britischen Botschaft in London auf Posten. Zweimal war er Sprecher des Ministeriums, erst von 2005 bis 2010, dann nochmals von 2011 bis 2014. Anschließend war er Protokollchef im Außenministerium. Eine Funktion, in der er Staatschef Xi Jinping bei vielen Auslandsbesuchen begleitete. Im Juli 2021 trat er dann den Job als Botschafter in den USA an.

In einem Meinungsartikel für „The Washington Post“ zog er am 4. Januar Bilanz seiner doch relativ kurzen Amtszeit in der US-Hauptstadt. 22 Bundesstaaten habe er bereist, mit 80 Kongress-Abgeordneten habe er geredet, viele Unis hätte er besucht und viele Interviews gegeben. In Iowa fuhr er in einem John-Deere-Traktor über die Äcker, im Baseball-Stadion von St. Louis warf er bei einem Spiel der Cardinals den ersten Pitch. Er sprach mit Elon Musk, besuchte die Detroit Motor Show und besichtigte in den Häfen von Boston und Long Beach die einlaufenden Containerschiffe, die Waren aus China in die USA brachten.

In der ersten Januar-Woche hat Qin nun Washington verlassen. Mit welchen Gefühlen verrät er in der WaPo: “I leave the United States more convinced that the door to China-U.S. relations will remain open and cannot be closed. I am also more convinced that Americans, just like the Chinese people, are broad-minded, friendly and hard-working. The future of both our peoples — indeed, the future of the entire planet — depends on a healthy and stable China-U.S. relationship.”

Das hört sich alles sehr konziliant an, aber es gibt auch ein anderes Gesicht des Qin Gang. Die Medien nennen ihn „Wolfskrieger“ (n-tv), „Hardliner und Xi-Vertrauter“ (Handelsblatt) oder „one of the toughest voices within the foreign ministry“ (The South China Morning Post).  Das Profil als Wolfskrieger erarbeitete er sich vor allem in seiner zweiten Amtszeit als Sprecher des Ministeriums. Außerdem fiel er als eifriger Twitter-User (aktuelle Followerschar am 8. Januar: 273 700) mit markanten Sprüchen auf.

Wie wird Qin nun als Außenminister reden und agieren? In „The National Interest“ schrieb er kurz vor Jahresende einen Artikel mit dem Titel „How China Sees the World“, der gewiße Andeutungen erkennen lässt. Zunächst sieht er China weiterhin auf dem Weg der Reform und Öffnung. In den vergangenen zehn Jahren seien 19 Freihandelsabkommen abgeschlossen, 21 Freihandelszonen errichtet worden. Im Weltbank-Ranking „Ease of Doing Business“, sei China von Platz 96 auf Platz 31 vorgerückt. Qin: „Given this record, people should think twice about the veracity and true intentions when they hear grumblings about China moving backwards in reform and opening up.” China sieht er natürlich als Friedensmacht, ´”not a growing power poised to break the status quo.” Den Status quo wollen andere verändern, zum Beispiel im Falle Taiwans „independence separatists ands external forces“. Höchst besorgt ist Qing über die „situation in Ukraine“. Dringendste Aufgabe seien jetzt Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine, aber auch zwischen den USA, der EU, der NATO und Russland.

Global gesehen sieht er die Welt am ersten Scheideweg des 21. Jahrhunderts: “If people choose to see the world from a democracy vs. authoritarianism perspective, they will very likely usher in a world of division, competition, and conflict.” Wenn sie aber die Welt als Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft betrachten, „then openness, cooperation, and win-win-outcomes will be the fruits of their choice“.

Interessant wird sein, wie sich das Verhältnis zu seinem Vorgänger Wang Yi einpendelt. Dieser ist ja nicht von der Bildfläche verschwunden, sondern im Gegenteil: Er ist seit dem 1. Januar im Politbüro der KP für Außenbeziehungen zuständig. Dieser Job ist mächtiger und einflussreicher als der des Außenministers. Qin trat jedenfalls gleich mal in die Fußstapfen seines Vorgängers und reiste Anfang des Jahres – wie es inzwischen Tradition ist – nach Afrika, wo er – wie Wang die Jahre zuvor – fünf Ländern besuchte.

Info:

Hier der Artikel von Qin Gang in „The National Interest“:  https://nationalinterest.org/feature/how-china-sees-world-206058

Sein Twitter Account: https://twitter.com/AmbQinGang

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