POLITIK I Japan rüstet auf

Der 16. Dezember war für Japan, aber auch zumindest für den Rest der asiatischen Welt ein wichtiges Datum. An diesem Tag beschloss das japanische Kabinett eine neue „National Security Strategy“. Die drei wichtigsten Punkte in dem Papier waren: Erstens wird China nun zur „unprecedented strategic challenge“ erklärt (in der alten, aus dem Jahr 2013 stammenden Sicherheitsstrategie wird China lediglich als „an issue of concern to the international community“ bezeichnet). Zweitens wird der Militärhaushalt kräftig erhöht. Bis zum Jahr 2027 sollen die Militärausgaben zwei Prozent des BIP erreichen (derzeit sind es lediglich ein Prozent, basierend auf einem Kabinettsbeschluss aus dem Jahre 1976). Und drittens will Japan sein Arsenal erweitern, um „counterstrike capabilities“ durchzuführen. „These moves signal a profound transformation“, urteilt die Japan-Expertin Jennifer Lind (Harvard) in einem Beitrag für „Foreign Affairs“. Japan rückt damit unter Premier Fumio Kishida von seiner alten, seit Ende des zweiten Weltkrieges geltenden Militärdoktrin ab, die da lautet „defensive defense“. Bislang liegt der Fokus auf der Selbstverteidigung des Landes. Das japanische Militär nennt sich deshalb auch Self-Defense-Forces (JSDF). Japan hatte in den vergangenen Jahrzehnten eine relativ starke anti-militärische und pazifistische Tradition, die lange Zeit von der Bevölkerung mitgetragen wurde. Ausdruck dieser Haltung ist der berühmte Artikel Neun der japanischen Verfassung: „In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten.“ Doch nun sei man an einem Wendepunkt angekommen, sagt Premier Kishida. Er nennt den Ukraine-Krieg, Chinas aggressives Auftreten gegenüber Taiwan und den Dauerstreit um die Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer als Gründe für das Aufrüsten Japans. Dies wird übrigens von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen, wie Umfragen ergeben haben. Japan wird also in den kommenden fünf Jahren über 300 Milliarden Dollar in sein Militär investieren. Hunderte von Tomahawk Cruise-Missiles (Marschflugkörper) werden in den USA bestellt werden. Zusammen mit Italien und Großbritannien soll bis 2035 ein neues Kampflugzeug entwickelt werden.  Mit rund 65 Milliarden Dollar hätte Japan 2027 dann den dritthöchsten Militäretat nach den UA und China. Die Reaktionen auf diese Entwicklung sind logischerweise unterschiedlich. Sofortiges Schulterklopfen aus den USA: „Japan´s new documents reshape the ability of our alliance to promote peace and protect the rules-based order in the Indo-Pacific region and around the world.”, schrieb US-Außenminister Tony Blinken. Sorgen dagegen in China, aber auch beim Nachbarn Südkorea. Die chinesische Botschaft sandte eine diplomatische Protestnote, in der Japan angeklagt wird „stirring up tensions and confrontation in the region.“ Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin warf Japan vor, „to hype up the so-called China threat to find an excuse for its military build-up.” Voraussichtlich im Januar wird Japans Außenminister Yoshimasa Hayashi, der übrigens als relativ China-freundlich gilt, nach Beijing reisen, um die Wogen etwas zu glätten.

Info:

Hier gibt es eine vorläufige Übersetzung der neuen japanischen „National Security Strategy“ ins Englische: https://news.usni.org/2022/12/20/japans-2022-national-security-strategy-national-defense-strategy

Christopher Hughes (emeritierter Professor an der London School of Economics) hat mit „Japan as a Global Military Power” ein aktuelles Buch über Japans militärische Stärke geschrieben. Es kann hier heruntergeladen werden: https://www.cambridge.org/core/elements/japan-as-a-global-military-power/839164B08927CCA1BC48586FB64B578C

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